Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall
Deshalb instruierte der Kriminalrat den Einsatzleiter des LKA-Spezialistenteams, so schnell wie möglich alle verfügbaren Informationen zusammenzutragen und sie unmittelbar an ihn weiterzugeben.
Und dazu gehörte natürlich auch die Befragung Tannenbergs. Der ansonsten für seine Sturheit bekannte Kaiserslauterer Ermittlungsbeamte beantwortete nun geduldig alle Fragen, die der Einsatzleiter an ihn stellte. Er machte detaillierte Angaben zur Person des Taxifahrers, schilderte den genauen Ablauf der Geldübergabe, berichtete über den Inhalt des Gesprächs und nannte das Autokennzeichen des beigefarbenen Mercedes. Da inzwischen die Fruchthalle vollständig evakuiert worden war, leitete das LKA sofort die Fahndung nach dem Taxi und dessen unbekanntem Fahrer ein.
Danach überquerten Tannenberg und Mertel mit fliegenden Beinen die Ost-West-Achse und eilten ins Große Haus des Pfalztheaters, um dem Publikum die frohe Kunde zu überbringen.
Dr. Schönthaler hatte bei der Räumungsaktion den Tross angeführt. Er leitete die Menschen durch den von Lichterketten erhellten Tunnel in das Theater-Parkhaus. Von dort aus ging es direkt weiter ins Pfalztheater, wo sich nach und nach alle Evakuierten im Zuschauerraum des Großen Hauses einfanden.
Als leidenschaftlicher Theaterbesucher war der Rechtsmediziner darüber informiert, dass wegen der Veranstaltung in der Fruchthalle an diesem Abend im Pfalztheater keinerlei Aufführungen stattfanden. Für Unterhaltung war trotzdem bestens gesorgt, denn Gero Lottner hatte die Gesangsinterpreten, Musiker und Tanzakrobaten von der notwendigen Räumungsaktion in Kenntnis gesetzt und sie gebeten, das Publikum auf der Bühne des Pfalztheaters mit improvisierten Darbietungen zu unterhalten.
Was sich kurze Zeit später in der unmittelbaren Umgebung der Fruchthalle abspielte, wurde für alle Beteiligten zu einem unvergesslichen Erlebnis. In der Stadt hatte sich die Nachricht über die spektakulären Ereignisse wie ein Lauffeuer verbreitet. Zu Hunderten strömten die Bürger zu ihrer im Zentrum der Barbarossastadt schräg gegenüber der alten Kaiserburg gelegenen Festhalle. Durch ihr zahlreiches Erscheinen verliehen sie dem, was nun folgen sollte, erst den gebührenden Rahmen. Man gewann den Eindruck, dass selbst die schmucke, über 150 Jahre alte Sandsteinfassade der Fruchthalle zu dieser frühen Nachtstunde in besonderem Glanz erstrahlte.
Ohne dass sie irgendjemand dazu angewiesen hätte, bildeten die herbeigeeilten Bürger zwischen dem Theaterparkhaus und dem Nordeingang der Fruchthalle einen breiten Korridor. Einige der von der Spittelstraße herannahenden Fahrzeuge schwenkten vor dem immer dichter werdenden Menschenspalier nach rechts in die Martin-Luther-Straße ein. Andere Schaulustige parkten ihre Autos einfach auf der Busspur und liefen von dort aus zu dem nächtlichen Spektakel.
Bereits als die ersten der evakuierten Menschen das Parkhaus verließen, brandete frenetischer Beifall auf. Mehrere, an den Fenstern der Fruchthalle postierte Fernsehkameras begleiteten die fröhlichen, winkenden Zuschauer bei ihrem Triumphzug über die mehrspurige Ost-West-Achse. Der Leiter des K 1 und seine todesmutigen Mitstreiter beobachteten dieses geradezu feierliche Szenario vom Dach des Parkhauses aus. Es erinnerte ein wenig an die Rückkehr eines siegreichen antiken Kriegsheeres.
Schmunzelnd betrachtete sich Tannenberg diese außergewöhnliche Prozession, an der selbstredend auch Mitglieder seiner Familie teilnahmen. Er war ausgesprochen erleichtert darüber, dass der Plan, der durch die geniale Beigabe des Regisseurs erst die richtige Würzung erhalten hatte, so perfekt funktioniert hatte. Natürlich verspürte er in dieser euphorischen Stimmungslage ein starkes Bedürfnis, seine Familie so schnell wie möglich in die Arme zu schließen.
Aber die Vorstellung, in der Fruchthalle von Kamerateams belagert und zu Statements genötigt zu werden, schreckte ihn jedoch davon ab. Also vertagte er lieber dieses sehr persönliche, emotionale Ereignis auf einen späteren Zeitpunkt in den eigenen vier Wänden. Was er allerdings umgehend tätigte, war ein Anruf bei Max. Dieser hielt sich noch mit Marieke im Krankenhaus auf. Der junge Mann teilte ihm mit, dass Mariekes wehenähnliche Krämpfe nicht besorgniserregend seien und sehr wahrscheinlich von alleine wieder abklingen würden. Trotzdem solle seine Freundin besser noch ein paar Stunden zur Beobachtung in der Klinik bleiben.
Mertel stand direkt neben
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