Bonbontag
letzten Blick aufs Zifferblatt.
»Ich muss hier noch ein bisschen arbeiten, und dann habe ich bald einen Termin, darum kann ich nicht ...«
»Dann halt gleich danach«, unterbrach ihn Tomi. »Wenn du zurück bist.«
Ari überlegte kurz, was er sagen sollte, und stellte sich sicherheitshalber mitten in den Türrahmen.
»Machen wir es so. Aber als Allererstes rufen wir jetzt deine Mutter an.«
Tomi stöhnte auf.
»Nein, nein, das ... dann klappt es nicht!«
»Mit anderen Worten, du gehst jetzt zu deiner Mutter. Und dann, wenn es deiner Mutter recht ist ... treffen wir uns wieder, zum Beispiel in zwei Stunden oder so, und wir gehen alle drei nach Miranda ... nach Mirabella sehen.«
»Das geht total schief.«
»So müssen wir es machen ... Sonst muss ich wieder bei dem Notdienst anrufen.«
»Nein!«, rief Tomi.
Er schaute Ari von unten herauf an. Für einen Moment hatte Ari das unangenehme Gefühl, der Junge wollte sich auf ihn stürzen. Würde es zumindest tun, wenn er ein bisschen größer wäre. Das war ein unangenehmer Gedanke. Dass man nur gewinnt, weil man stärker ist.
»Okay dann«, sagte Tomi zornig. »Ich rufe an ...«
Er sackte in sich zusammen, hielt das Handy versteckt, drückte darauf herum. »Arschloch«, schnaubte er.
Ari wollte etwas sagen, ließ es jedoch bleiben. Tomi warf ihm einen kurzen Blick zu, wirkte verlegen.
»Tschuldigung«, konnte man gerade so hören.
Ari räusperte sich, wollte in keine Diskussion mehr hineingezogen werden. Er wartete darauf, dass der Junge das Handy ans Ohr hielt, doch das tat er nicht. Stattdessen blickte er plötzlich auf.
»Ich kann ja eine SMS schicken?«
»Das ist vielleicht zu kompliziert für eine SMS«, sagte Ari und kämpfte gegen seinen Ärger an.
Tomi überlegte noch einen Moment: »Ich muss ihr das irgendwie passend erzählen.«
Bevor Ari protestieren konnte, hielt sich Tomi das Handy ans Ohr. Ari hörte, dass das Telefon irgendwo klingelte.
Ein Knacken, ein Hallo, die Stimme einer Frau.
»Hallo ... ich bin’s, Tomi.« Seine Stimme war gedämpft, kleinlaut. »Ich hab’s vergessen. Tschuldigung ... Ganz gut ... Alles in Ordnung ...«
Ari fing an sauer zu werden, Tomi merkte es, wandte sich ab.
»Papa hat dann doch was vorgehabt ... Da war ich bei Oma ... Aber die ist krank geworden ... Und da bin ich dann zu einem Freund gegangen ... Ich hab mir überlegt, ob ich zu euch kommen soll ... Ich weiß nicht ... Doch, ich glaub, das geht ... Ja. Also dann ... Wir sehn uns übermorgen.«
Tomi beendete das Gespräch. Ari schnappte nach Luft.
»Was soll das? Du ...«
»Die haben gerade ein bisschen viel zu tun ... weil sie gleich wegfahren.«
Ari biss sich auf die Lippe, um nicht zu fluchen. Er war nahe daran, vor Wut in die Luft zu gehen.
»Wo glaubt deine Mutter, dass du jetzt gerade bist?«
Tomi zuckte matt mit den Schultern. An seiner zusammengesunkenen Haltung sah man, dass es ihm schwerfiel, darauf zu antworten.
»Ich hab halt gedacht ... dass ich vielleicht ... hier wäre.«
»Weißt du was«, brüllte Ari, der sich eigentlich beherrschen wollte, »das geht mir jetzt, verdammt noch mal, zu weit!«
Tomi war blass geworden, verwirrt, er hatte Angst vor dem, was als Nächstes geschehen würde.
»Tschuldigung, ich ...«, sagte er und musste die Tränen zurückhalten. »Ich hab das nicht gewusst.«
Ari atmete inzwischen wieder ruhiger.
»Okay. Jetzt rufen wir noch einmal deine Mutter an. Und wenn es dir recht ist, spreche ich mit ihr.«
Tomi nickte entsetzt und gab Ari das Handy. Ari überlegte eine Sekunde, ob er mit seinem eigenen Apparat anrufen sollte, aber er war zu ungeduldig. Er wählte auf Tomis Handy die zuletzt angerufene Nummer. Mama.
Es meldete sich nicht sofort jemand, Ari hatte Zeit, sich zu fragen, was für eine Stimme ihn erwarten würde. Wie klang eine Frau, die ihr eigenes Kind misshandelte? Würde man es an der Stimme hören?
Klick, jemand nahm ab.
»Was denn noch?«, sagte die Stimme am anderen Ende.
Es kam so schnell, dass Ari nicht darüber nachdenken konnte, wie die Stimme klang.
Er nannte seinen Namen. Erklärte, er sei zufällig an den Jungen geraten. Er redete etwas umständlich, weil er nicht sagen wollte, dass der Junge bei ihm übernachtet hatte.
»Bist du ein Kumpel von Jaska?«, unterbrach ihn die Frau.
»Jaska?«
»Das ist mein Papa«, flüsterte Tomi.
»Nicht wirklich«, antwortete Ari und wunderte sich selbst über die Wortwahl.
»Also in keiner Form«, versuchte er fortzufahren, aber
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