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Bonbontag

Bonbontag

Titel: Bonbontag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Nummi
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würde mit seiner Mutter verschwinden, und aller Voraussicht nach würde er nie wieder etwas von ihm hören. Ob sie nun nach der Prinzessin schauen gingen oder nicht. Das massive Schweigen des Jungen löste Schuldgefühle aus. Er schien ja auch ein ganz netter Kerl zu sein. Aber Ari hatte seine eigenen Pflichten, seine Arbeit, seine Familie.
    Tomi antwortete nicht. Ari hatte es auch gar nicht erwartet. Der Junge schwieg demonstrativ.
    Wenn man es genau nimmt, habe ich gerade absolut keine Zeit, erinnerte sich Ari gut gelaunt. Ich müsste längst beim Schreiben sein.
    Plötzlich drehte sich Tomi zu ihm um.
    »Könnten wir vielleicht jetzt?«
    »Wie? Was?«
    »Ich kann dir ja bloß mal zeigen ... wo das Haus ist. Man sieht es, wenn man da drüben um die Ecke zur Grünanlage geht.«
    »Nein, ich glaub, es ist besser, wenn ...«, sagte Ari und sah auf die Uhr, es waren noch mehr als zehn Minuten Zeit. Zu spät begriff er, dass sein Tonfall ein Hintertürchen offen ließ. Ein Kind greift sofort nach so etwas.
    »Nur ganz kurz. Komm, ja?«
    Tomi machte ein paar Schritte auf die Häuser zu, rannte aber nicht weg, sondern wartete.
    »An den Rand der Grünanlage?«, versicherte sich Ari.
    »Genau«, sagte Tomi und ging los.
    Na gut, sei’s drum. Die romantischen Einbildungen eines kleinen Jungen. Wie viele Jahre war es her, dass er wegen einer hübschen Bibliothekarin Vorwände für Besuche in der Gegend, in der sie wohnte, gefunden hatte, nicht allzu viele. Jungen bleiben Jungen.
    Sie gingen an geparkten Autos vorbei, überquerten das Gelände, Tomi zwei Meter vorneweg. Am Ende des Wohnblocks endete auch der geräumte asphaltierte Weg, es ging auf einer von tausenden Schritten ausgetretenen Furche im Schnee weiter. Sie führte zu einem kleinen Tor, durch das man auf den Fußweg der Grünanlage kam.
    »Und?«, sagte Ari ungeduldig.
    Tomi ging langsamer, bewegte sich aber weiter voran, er reckte den Hals, hielt nach etwas Ausschau. Dann blieb er stehen und deutete mit der Hand in eine Richtung.
    »Das da, das man zwischen den zwei anderen Häusern sieht. Eins, zwei, drei, vierter Stock. Der zweite von oben. Da, wo die Jalousien zu sind.«
    Ari sah hin. Ein gewöhnliches Haus aus den frühen 60er Jahren, dunkelgraue Fassade, gleichmäßige Fensterreihen, meinte der Junge das? In einem Fenster waren die Jalousien unten.
    »Dort soll die Miranda ...«
    »Mirabella!«
    »Genau, Mirabella ... Dort wohnt sie? Was glaubst du, warum sie nicht rauskommt?«
    »Hab ich doch schon gesagt.«
    »Nämlich?«
    »Weil das Hexenweib ... ihre Mutter ist so. Die gibt Hausarrest.«
    Ari sah auf die Uhr. Sie mussten zurück.
    »Irgendwie komisch ...«
    »Was?«
    »Weil bei Mira schon wieder kein Licht brennt ... Dabei gefällt es ihr im Dunkeln gar nicht.«
    »Vielleicht ist sie nicht zu Hause.«
    Auf den Gedanken war Tomi eindeutig noch nicht gekommen.
    »Aber jetzt müssen wir zurück, wie ausgemacht ...«
    »Hä? Guck doch mal ...«, sagte Tomi verdattert.
    »Was denn?«
    »Daneben brennt Licht. Im Fenster von der Kobra.«
    »Und weiter?«
    »Bei Mira ist es dunkel, und nebenan brennt Licht. Genau wie gestern ... den ganzen Tag.«
    »Jetzt gehen wir aber«, sagte Ari, nahm Tomi die Plastiktüte ab und machte sich auf den Rückweg. Als er merkte, dass Tomi ihm nicht folgte, blieb er stehen und winkte ihn zu sich.
    »So war’s noch nie«, sagte Tomi und folgte Ari, blickte sich aber immer wieder um. »Da brennt nur Licht, wenn die alte Hexe daheim ist.«
    »Warum sollte sie denn nicht daheim sein? Warum sollten sie nicht zusammen in der Wohnung sein?«
    Tomi blieb stehen und sah hin. Ari blickte auf die Uhr, zupfte den Jungen am Ärmel und zog ihn mit sich.
    »He ... hier ...«, rief jemand.
    Eine Frau schwenkte den Arm. Ari sah Tomi an, Tomi schaute auf die Frau, winkte matt, schlurfte weiter.
    Tomis Mutter.
    Sie stand auf dem Bürgersteig, an der Stelle, an der Ari und Tomi kurz zuvor gewartet hatten. Hinter ihr parkte ein dunkelblauer Pkw und versperrte die Hofeinfahrt, nicht das neueste Modell, aber auch keine Schrottlaube. Ein Mann lehnte an der Tür, daneben kauerte ein kleines Mädchen und trat nach Eisklümpchen auf dem Asphalt.
    Während er auf die drei zuging, versuchte Ari sich ein schnelles Bild zu machen, ein Familienbild. Denn um eine Familie handelte es sich eindeutig. Auf dem Weg in einen von sportlicher Aktivität geprägten Kurzurlaub. Die Mutter ... eine gewöhnlich anmutende Frau von etwa dreißig, vielleicht durch die

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