Bonbontag
flüsterte Tomi.
»Entschuldige, das habe ich jetzt nicht gehört«, sagte der Mann und bog eine Ohrmuschel nach vorn.
»Hast du nicht«, rief Tomi. Tränen liefen ihm aus den Augen.
»Das meine ich nämlich auch«, sagte der Mann und zauste dem Jungen kräftig das Haar.
»Au«, stöhnte Tomi.
»Oh, Entschuldigung«, sagte Mann im Kleinkindton und tätschelte Tomi die Wange. Tomi wandte das Gesicht ab. »Es ist besser, man glaubt nicht alles, was der Schlingel erzählt.«
»Es geht hier nicht ums Glauben«, mischte sich Ari ein. »Seine Arme sind voller blauer Flecken.«
Der Mann sprang auf, richtete das Wort an die Frau: »Säuft der Kerl schon? Wie sein Vater?«
»Red keinen Blödsinn«, erwiderte die Frau und wandte sich jetzt an Tomi. »Hast du dich geprügelt?«
»Wäre nicht das erste Mal«, mischte sich der Mann ein.
»Jetzt halt doch mal das Maul, A. P.«, rief die Frau.
»Kann gut sein, dass heute noch jemand was aufs Maul kriegt«, knurrte der Mann.
»Du bist jetzt fünf Sekunden still«, sagte die Frau energisch. Dann legte sie Tomi die Hand auf die Schulter. Der Junge erzitterte.
»Hast du dir wehgetan? Bist du okay?« Ihre Stimme war ruhig, wie bei einer Schulkrankenschwester.
»Ja ... Aber das macht nichts ... Mich haben welche geschubst.«
Der Mann hüstelte, lachte darauf.
Die Frau nahm die Hand von der Kinderschulter. Sie schaute Ari an. Es war ein Sonst-noch-was-Blick.
»Sonst noch was?«, fragte sie, da Ari kein Wort herausbrachte.
»Ehrlich gesagt schon ...« Ari suchte nach Worten, wieder verwandelte sich seine Verwirrung in Zorn. Er sah kurz auf Tomi, der zu Boden blickte. »Wäre es nicht ... Moment mal ... Das ist doch dein Sohn ...«
»Ja«, antwortete die Frau.
»Nimmst du ihn nicht ...«
»Jetzt ist Papa-Woche«, erklärte die Frau kurz und bündig, geradezu kindisch. Immerhin ließ sie sich zu einer kleinen Erklärung herab. Das Ganze sei vor langem schon ausgemacht worden, sie hätten geplant und gebucht.
»Und den Vater kann man nirgendwo erreichen?«, fragte Ari.
Wieder hörte man lautstarkes Lachen am Auto.
»Wir können es ja mal versuchen«, sagte die Frau.
»Ja, genau«, schnaubte der Mann im Hintergrund. »Wir haben’s ja nicht eilig, uns geht bloß gerade das ganze Wochenende in den Arsch.«
Die Frau nahm ihr Handy, drückte ein paar Tasten und hielt es ans Ohr.
»Melde dich, verdammt ...«
Wieder schaute Ari auf Tomi. Der Junge wirkte apathisch, die Tränen auf seinen Wangen waren getrocknet.
Überraschend knackte es in der Leitung. Die Frau hob den Kopf. Alle merkten auf. Auch Tomi wurde lebendig.
Jemand meldete sich.
»Jaska? Ich bin’s ... dreimal darfst du raten. Diejenige, die du in deinem Leben am allermeisten verarscht hast. Jetzt legst du nicht auf ... Jaska ... Es ist wichtig ... Tomi steht neben mir. Und der fragt sich, wo, verdammt nochmal, sein Vater steckt. Oder in welcher Nutte er gerade steckt ... Du legst nicht auf! An diesem Wochenende bist du dran ... Was heißt hier, du kannst nicht? Rate mal, wie der Junge das findet ... Na, er ist mit irgend so einem Typen hier ... Tomi, dein Vater will mit dir reden.«
Tomi nahm das Telefon. Er ging ein paar Schritte weg, sprach ganz leise. »Hallo ...«
Ari versuchte mitzuhören. Der Junge sprach von seiner Oma.
Der Mann am Auto hustete demonstrativ und sah auf die Uhr.
»Fahren wir bald?«, fragte das Mädchen.
»Wenn das so weitergeht, nicht«, sagte der Mann.
»Wir fahren gleich«, sagte die Frau.
»Warum kommt Tomi nicht mit?«, fragte das Mädchen.
»Tomi geht zu seinem Vater«, sagte die Frau.
Das Mädchen dachte nach. Dann wandte es sich an Ari. »Wer bist du?«
»Ari.«
»Warum bist du hier?«
»Na, weil ... ich wohne hier.«
»Warum?«
»Na ... irgendwo muss man ja wohnen, und hier ... ist es schön.«
Wieder legte das Mädchen eine Denkpause ein.
»Bist du Tomis Papa?«
»Nein ...«
Wieder wurde neben dem Auto gelacht.
»Wer weiß, vielleicht ist er’s ja.«
»Hör auf«, zischte die Frau.
Der Mann wollte etwas sagen, etwas Unschönes, vermutete Ari, aber da nahm Tomi das Handy vom Ohr und drückte es an die Brust.
»Papa sagt, ich kann am Nachmittag zu ihm kommen«, sagte er und gab seiner Mutter das Telefon. »Er will dich noch was fragen.«
»Was denn noch?«, fing sie an, richtete kurz darauf den Blick auf Ari. »Wie heißt du noch gleich?«
»Ari ... aber ...«
»Irgendein Aki, nein Ari ... Ja, genau ... okay.«
Die Frau nannte die Adresse. »Das ist
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