Bonbontag
Der Junge hat meinen Ex dann nicht erreicht ... Und weil wir ja verreist sind ... ist er halt zu einem Freund gegangen.«
»Zu einem Freund?«
»Genau, zu Ari ... Und jetzt dann zu Jaska.«
»Jaska?«
»Also seinem Vater.«
»Aha.«
»Genau, alles im grünen Bereich. Ruf Jaska an. Hast du die Nummer?«
Man hörte, das sie etwas mit dem Telefon machte, dann diktierte sie eine Nummer. Katri verglich sie mit den Angaben, die sie hatte, und stellte fest, dass die Nummer im Register veraltet war.
»Entschuldigen Sie, dass ich Sie gestört habe. Kann man Sie erreichen, falls ...«
»Wir sind hier ... in so einem Spa ... Kann sein, dass das Handy zwischendurch mal aus ist ... Ist ja Urlaub, weißte, Massage und so ...«
Katri sagte, sie werde sich noch einmal melden.
Die Nummer des Vaters. Es läutet. Keiner meldet sich.
Die Großmutter. Keine Reaktion.
Unter Tomis Name war keine Nummer eingetragen. Aber vielleicht unter einem anderen Namen? Katri rief noch einmal bei der Mutter an.
»Die gewählte Rufnummer ist derzeit nicht zu erreichen.« Besonders lange hat die Frau Mama mit dem Ausschalten ihres Handys nicht gewartet.
Ari, der Schriftsteller. Na klar. Ihn hätte man sofort anrufen müssen.
Das Telefon klingelte, bevor Katri es erneut in die Hand nehmen konnte, um eine Nummer zu wählen. Jemand von den Kollegen sollte rangehen. Petri oder Sanna.
Katri wartete. Es klingelte weiter.
Sie griff zum Telefon.
»Sozialer Notdienst, Katri Korhonen. Was kann ich für Sie tun?«
Oh nein. Endlose Erklärungen und Entschuldigungen. Komm zur Sache!
»Es ist vollkommen in Ordnung, dass Sie anrufen«, unterbrach Katri schließlich den Redefluss. »Würden Sie mir bitte zunächst Ihren Namen nennen und dann kurz den Grund für Ihre Besorgnis. Sie haben gerade schon ein Kind erwähnt ...«
»Mein Name ist ...«
Erkki Saari, notierte Katri auf ihrem Block.
14
Allmählich hörte es auf zu schneien. Es wurde dunkel. In der Grünanlage waren die Lampen angegangen und stachen schärfer in die Augen als noch kurz zuvor. Sie schienen mehr sich selbst als ihrer Umgebung zu leuchten, während ihr selbstbewusster, fast hochmütiger Schein in der zunehmenden Dunkelheit nach und nach intensiver wurde.
Plötzlich war Ari die ganze Situation peinlich. Wo ging er da hin? Gleich würde er bei fremden Leuten an der Tür klingeln, mit einem kleinen Jungen als Gefährten, von dem er nicht viel wusste. Auch wenn er inzwischen schon dessenMutter, Stiefvater und Stiefschwester kennengelernt hatte. Sowie den Vater und die Großmutter. Die halbe Sippschaft. Eigentlich ziemlich viel Information angesichts der Kürze der Bekanntschaft.
Da war er nun. Patenonkel Ari. Und tat das, wozu all die anderen keine Zeit oder keine Lust hatten oder wozu sie nicht fähig waren. Er begleitete den Jungen zu einem Mädchen.
Zur Prinzessin. So würde er es in seinem Roman schreiben.
Bald wäre das alles jedoch vorbei. Ein tröstlicher Gedanke, der aber auch ein bisschen wehmütig stimmte.
Er müsste dort weitermachen, wo er angefangen hatte. Den Stift in die Hand nehmen. Direkt aufschreiben.
Die Geschichte des Jungen.
War das Missbrauch?
Oder eine Ehre? Teil einer Geschichte zu werden. Wodurch etwas, an dem man zufällig beteiligt war, einen ... Sinn erhielt. Eine Bedeutung.
Die Lehre, die aus der Geschichte zu ziehen wäre? Darauf würde er nicht hereinfallen. Darauf hatte er eine Antwort parat: Wenn ihr belehrt werden wollt, geht in die Schule.
Was fantasiere ich hier eigentlich vor mich hin?, wunderte sich Ari. Immer schön auf dem Teppich bleiben!
Vertraute Reviere. Am Kindergarten vorbei. Der kleine Geländestreifen hinter den letzten dreistöckigen Häusern. Zwei Bäume. Da. Der Rand des Schwimmbeckenwaldes. Dort schrie und heulte der kleine Junge, trat, schlug um sich. Hatte Angst. Um ihn herum ein Kreis, in dem auch Ari stand.
Ari warf einen Blick auf Tomi. Der Junge war in Gedanken versunken. Am besten wäre es, noch vor der Begegnung mit der Prinzessin zu klären, wo der Prinz anschließend hingehen würde.
»Wir müssten mal überlegen ... was wir als Nächstes tun.«
»Wir gehen nach Mirabella gucken«, sagte Tomi. Er wurde misstrauisch. »Das haben wir doch ausgemacht.«
»Ja, wir gehen nachsehen, ob Mirabella zu Hause ist, unbedingt«, beruhigte ihn Ari. »Aber ich frage mich, wohin ... danach?«
Tomi verlangsamte den Schritt. Zuckte mit den Schultern.
»Ob wir zum Beispiel deinen Vater erreichen könnten.«
»Es kann sein
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