Bonbontag
irgendwie sah sie anders aus.
Plötzlich blieb Tomi stehen. Mit seltsamem Gesichtsausdruck, der Mund offen, als versuchte er etwas zu sagen, aber es kam nichts.
»Was ist?«, fragte Ari.
Er hörte die Schritte der Frau auf dem frisch gestreuten Weg. Jetzt wurden sie gesehen, die Frau schaute her. Ein Zögern zuerst, dann ein Lächeln. Ein großes, schönes Lächeln. Einnehmend.
»Hallo«, rief sie. »Schön, dich zu sehen!«
»Hallo«, entgegnete Ari überrascht.
Schön, dich zu sehen?
Ein Rascheln, ein Absprung.
Ari drehte sich um. Tomi war weg.
17
»Wirklich schön, dich zu sehen«, sagte Paula erneut.
Der Mann versuchte zu lächeln, aber das Merkwürdige der Situation spiegelte sich in seinem Gesicht wider.
»Ist schon komisch ...«, meinte Paula und lachte dazu, nahm sich Zeit, um zu überlegen, was sie als Nächstes sagen sollte. »Ist schon komisch, wenn man Kinder hat ... Eigentlich kennen wir uns ja gar nicht, und trotzdem hat man das Gefühl, man kennt sich ... Durch die Mädchen ...«
Das war ein Schuss ins Blaue.
»Mirja erzählt aber auch viel von deiner ...« Paula wedelte suchend mit der Hand.
»Anni.«
»Von deiner Anni. Na klar. Und dein Name war ...«
»Ari.«
»Ari ... na klar.«
»Es scheint tatsächlich eine nette Klasse zu sein«, sagte Ari. Er schien noch immer alle Mühe zu haben, gedanklich Schritt zu halten.
»Ja ... absolut ... und darum ... Es tut gut, Ari, in dieser Situation ... jemandem zu begegnen, den man kennt.«
Ari wartete auf die Fortsetzung. ›In dieser Situation.‹ Gut formuliert, lobte Paula sich selbst.
Sie seufzte. Ihr Lächeln verblasste. An seine Stelle schob sich konzentrierter Ernst.
»Ich habe mir Sorgen um diesen Jungen gemacht.«
»Du kennst Tomi?«
»Ich kenne die Hintergründe«, erwiderte Paula schnell und probierte innerlich den Namen aus. Tomi, na klar. »Leider zu gut, was Tomi betrifft.«
»Äh ...«
»Von Berufs wegen.«
»Ach, bist du ... so was wie eine Sozial ...«
»In gewisser Weise ja ... und nein ... Ich berate ... sie. In Raumfragen. Auch in diesem Fall.«
Paula schaute den Mann an. Er schien genau so auf dem Schlauch zu stehen wie die meisten Männer. Ein harmloses Wesen, trat mit Sicherheit für alle positiven Dinge auf dieser Welt ein. Lenkbar, manipulierbar.
»Entschuldige bitte, aber ...«, fuhr Paula fort. »Von Berufs wegen muss ich das fragen. Was für eine Beziehung hast du denn zu Tomi?«
»Also, äh ... eine vollkommen zufällige«, antwortete Ari.
Paula nickte stumm, signalisierte, dass ihr dies nicht genügte. »Erzähl mir einfach alles.«
Ari erzählte. Dass sich der Junge an ihn gehängt hatte.Dass der Junge von ihm begleitet werden wollte, weil ihn die größeren Jungen hier ärgerten. Dass er seine Freundin Mirabella besuchen wollte.
»Mirabella?«
»Ja, irgendwie hat der Junge ... die Vorstellung, dass ein Mädchen, das er Mirabella nennt, in Not ist ... Aber Moment mal ...«
Amüsiert beobachtete Paula die mühsamen Schlussfolgerungen des Mannes.
»Aber sie ist doch wohl nicht ... deine Tochter ...«
»Doch, Mirja. Sie könnte Mirabella sein«, sagte Paula entschieden. »Und was die Not betrifft ...«
Sie ließ ein Lachen erklingen. Ein helles, wunderbares, entzückendes Lachen, Tränen rannen ihr dabei aus den Augen.
»Die Not ist anderswo zu suchen.«
»Ach ja?«
»Die Eltern des Jungen ... sind, um es mal freundlich zu sagen, unzurechnungsfähig. Alkoholiker. Die Großmutter hat psychische Probleme.«
Ari hörte zu, nickte, als handelte es sich bei dem Ganzen um eine logische Selbstverständlichkeit, obwohl es sichtlich über sein Verständnis ging.
»Sie war in einer Art Delirium ... ich habe selbst den Notarzt gerufen.«
»Der Junge hat gesagt ...«
»Der arme Junge. Schon in dem Alter ein pathologischer Lügner.«
Ari sah Paula an, Paula Ari. Paula war müde, die gespielte Munterkeit raubte ihr die letzten Kräfte. Nun sollte der Fall erledigt sein.
»Aber vielen Dank, dass du versucht hast, dem armen Kind zu helfen, wirklich. Ich werde es weitergeben.«
»Jemand von euch hat schon bei mir angerufen «, sagte Ari eifrig, der nun glaubte, alle Teile zusammengesetzt zu haben. »Wir haben sogar einen Termin in meiner Wohnung vereinbart, da drüben im Nachbarviertel ... Aber jetzt ist der Junge verschwunden.«
»Aha, verstehe«, nickte Paula, obwohl sie nicht annähernd verstand, wovon der Mann redete. »Ich werde auf jeden Fall einen Bericht schreiben und ans Büro schicken, da
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