Bone 01 - Die Kuppel
gingen Menschen zu Boden, und einige wurden zertrampelt.
Er riss sein Messer aus dem Gürtel und schnitt den Strick um sein Bein durch. Überrascht bemerkte er, wie warmes Blut herausschoss. Die glühenden Augen sprangen auf ihn zu. Er hob seine Waffe, doch sie wurde ihm von einer schleimigen Gliedmaße aus der Hand geschlagen. Dann drückten Krallen ihn nieder und gruben sich in seine Schulter. Kiefer öffneten sich riesig im Schein der Lichterstraßen.
Dann hörte Stolperzunge ein Knirschen, und das Wesen glitt von ihm herunter. Ein junger Mann half ihm auf und gab ihm sein Messer zurück. Er tippte sich auf die Brust, als wüsste er, dass Stolperzunge ihn nicht verstehen konnte, und sagte: »Varaha.« Er hatte ein kräftiges Kinn, tiefblaue Augen und ein gewinnendes Lächeln. Varaha zeigte nicht die geringste Spur von Furcht und schien nicht einmal zu schwitzen. Überall in der Gasse wehrten sich kampfunerfahrene Menschen, indem sie Steine warfen und unbeholfen mit Speeren stachen. Die schleimigen Wesen, die hier auf der Lauer lagen, hatten offenbar nicht mit so vielen Gegnern oder so großem Widerstand gerechnet. Sie starben schnell, nachdem jeder von ihnen nicht mehr als zwei oder drei Menschen getötet hatte.
»Ihr!«, rief Stolperzunge den ehemaligen Gefängniswärtern zu. Er zeigte ihnen das Wesen, das Varaha erlegt hatte. »Wir müssen den Kadaver mitnehmen.« Er zeigte ihnen mit Gesten, was er von ihnen erwartete, doch sie starrten ihn nur verständnislos an, bis Varaha sie anknurrte und sie endlich gehorchten. Weiter hinten luden sich ein paar Männer aus eigenem Antrieb einen anderen Kadaver auf. Dann zog die Gruppe weiter, während sie vom Platz immer mehr Zulauf durch Nachzügler erhielt.
Stolperzunge erreichte den Fluss ohne weiteren Zwischenfall. Hinter ihm strömten immer mehr Menschen aus der Gasse. Es waren viel mehr, als er erwartet hatte. Sie hatten die Lehren ihrer runzligen Ältesten aufgegeben und sich für das Leben entschieden. Selbst der Häuptling war gekommen, mit Tränen in den Augen und so qualvollem Gesichtsausdruck, dass Stolperzunge nur noch Mitleid für ihn empfand.
Aber es war noch nicht vorbei. Die Raubtiere waren der Beute gefolgt, und vom anderen Ende der Gasse waren Schreie zu hören. Stolperzunge versuchte seine Jäger dazu zu bringen, eine Verteidigungslinie zu bilden. Doch zu viele Menschen stürmten auf der Flucht vor dem Gemetzel an ihnen vorbei. Genauso gut hätte er versuchen können, den reißenden Fluss aufzuhalten. Über den Köpfen der Fliehenden erspähte er die rostroten Bestien, die auf ihren Hinterbeinen standen und große Krallen in menschliches Fleisch schlugen. Ein Nebel aus Blutstropfen ließ das Bild verschwimmen.
Das Blut floss in Rinnen durch die Gasse. Kurz fragte er sich, wofür man diese Rinnen angelegt haben mochte. Wie viele Menschen waren gestorben, um so viel Blut zu vergießen? Wie viele Bestien würden sie essen, und für wie lange wären sie gesättigt?
Immer noch strömten Menschen aus der Gasse. Inzwischen mussten die Feinde auf einem Teppich aus Leichen gehen. Sie waren nur noch zwanzig Schritte entfernt, und der junge Jäger wusste, dass sie nicht aufhören würden, bis sie die Menschen so vernichtend geschlagen hatten, dass sie sich nie mehr davon erholen würden.
Er rief nach Yama, aber im Durcheinander konnte er ihn nirgendwo sehen. Also sammelte er eine Gruppe der erschrockenen neuen Jäger um sich, von denen die meisten bestenfalls mit Steinen bewaffnet waren. Varaha stieß dazu und half ihm, die Männer so nahe wie möglich an der Mündung der Gasse in Stellung zu bringen.
Plötzlich waren die letzten Überlebenden vorbeigestürmt, und die blutbesudelten Vierbeiner präsentierten dem menschlichen Vergeltungstrupp ihre Bäuche. Nach einem so leichten Kampf wurden sie völlig von dem Hinterhalt überrascht. Der junge Jäger weidete einen von ihnen aus, bevor die Feinde überhaupt verstanden hatten, dass sie angegriffen wurden. Steine flogen in die Gasse und brachten die Gegner aus dem Gleichgewicht, während Stolperzunge ihnen mit dem Speer zusetzte. Andere Menschen stürmten neben ihm vor und brüllten ihren Hass hinaus. Erstaunlicherweise machten die Bestien sofort kehrt und rannten um ihr Leben. Es waren insgesamt kaum mehr als zehn gewesen, und fast alle entkamen.
Der junge Jäger sackte an einer Wand zusammen.
Er hörte, wie Varaha den Menschen hinter ihm etwas mit kräftiger, voller Stimme zurief. Als er sich umdrehte,
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