Bone 01 - Die Kuppel
verstauen. Sie hatten zu wenig Zeit für die Vorbereitungen gehabt. Abgesehen von Messer und Speer aus Panzerrücken bestand Stolperzunges sonstiges Hab und Gut aus einem Knochendolch, ein paar Wasserbeuteln und einem groben neuen Werkzeuggürtel, den er als Ersatz für den, der ihm in Langzungen-Wege abhandengekommen war, angefertigt hatte.
Doch nun war es zu spät, sich deswegen Sorgen zu machen. Er rüttelte Indrani wach, und kurz darauf packten sie so viel wie möglich auf den Schlitten, während Steingesicht aufgeregt herumhüpfte.
Als sie sich die Riemen über die Schultern legten und ihre Sachen aus dem Versteck zogen, erhellte sich das Große Dach bereits im Licht der frühen Dämmerung. Der Schlitten machte recht viel Lärm in den stillen Straßen, wenn er über nacktes Gestein schabte und platschend durch uralte Abwasserrinnen schleifte. Steingesicht rannte alle paar Herzschläge voraus, um den Weg zu erkunden. Einmal lief er stattdessen zurück, und als er wieder zu ihnen stieß, sagte er, dass die Jäger ihr Haus gefunden hatten.
Mit etwas Glück würden sie die Flüchtigen nicht so schnell einholen. Die harte Oberfläche der Straßen machte es schwierig, Fährten zu lesen, außer wenn sie über moosbewachsene Flächen gehen mussten. Doch selbst dann hoffte Stolperzunge, dass die seltsamen Spuren des Schlittens ihre Verfolger verwirrten. Vielleicht klappte es, aber dadurch kamen die Flüchtigen langsamer voran, vor allem weil Indrani immer noch von ihrer Vergiftung geschwächt war. Sie schwitzte heftig, und Stolperzunge befürchtete, sie könnte jeden Moment zusammenbrechen. Doch nach dem zwanzigsten Teil eines Tages erreichten sie die alte Grenze mit den leeren Türmen. Vor ihnen lag der schützende Wald, nur noch ein kleines Stück entfernt.
»Die Bäume scheinen näher an die Mauer herangerückt zu sein«, sagte Steingesicht, der das Dickicht aus roten und violetten Ästen betrachtete.
»Hier wachsen sie sehr schnell!«, sagte Indrani zwischen zwei tiefen Atemzügen. Auch für sie war die Macht des Sprechers nützlich. Jetzt konnte sie sich fehlerfrei mitteilen.
Stolperzunge wandte sich an Steingesicht. »Danke für die Warnung. Es tut mir leid, dass wir uns nie wiedersehen werden.« Er meinte es ehrlich, denn obwohl Steingesichts Vorliebe für Gefahren ihm Angst machte, hatte er ihm viele Male das Leben gerettet. Außerdem waren die Gedanken des großen Jägers – im Gegensatz zu denen von Wandbrecher – niemals verbittert oder verborgen. Stolperzunge umarmte ihn, aber Steingesicht wollte die Geste nicht erwidern.
»Du bist noch nicht tot, Stolperzunge! Du hast schon Schlimmeres überlebt als eine Nacht im Wald! Ich werde morgen wiederkommen und euch helfen, ein anderes Haus zu finden.«
»Steingesicht … wir werden nicht mehr zurückkommen, wenn wir den Wald erreicht haben. Wir wollen in die Fußstapfen des Reisenden treten und dorthin gelangen, wo das Große Dach den Boden berührt.«
Steingesicht starrte sie mit offenem Mund an. »Aber… wie lange werdet ihr unterwegs sein?«
»Fünfzig Tage«, sagte Indrani.
Steingesicht blickte auf den Schlitten und rechnete im Stillen nach. Dann schüttelte er mit zutiefst besorgter Miene den Kopf. »Wir brauchen mehr Vorräte. Du hattest nicht genug Zeit, eine ausreichende Menge für uns drei zu beschaffen! Und ich brauche meine eigenen Waffen – deine sind viel zu zart für meine Finger.«
Stolperzunge bemühte sich, nicht zu offensichtlich zu erschaudern, als er sich vorstellte, wie Steingesicht ihnen bei einer solchen Reise Gesellschaft leistete. Die Sachen, die für den großen Mann »aufregend« waren, bereiteten ihm immer wieder Alpträume.
»Im Stamm sind gute Jäger knapp geworden, Steingesicht. Jeder Mann wird gebraucht. Jeder …«
»Stolperzunge«, sagte er mit einem verzweifelten Schwall schlechten Atems, »du musst dich nicht schämen, mich um einen Gefallen zu bitten. Natürlich komme ich mit.« Er senkte die Stimme. »Außerdem … brauche ich dich genauso, wie du mich brauchst. Die Vorstellung, dass ihr beiden ganz allein hier draußen seid, war das Einzige, was mir Antrieb gegeben hat. Und mein Haus …« Er schüttelte den Kopf, als wollte er ein Mooswesen vertreiben. »Wartet nicht auf mich. Ich werde holen, was ich brauche, und euch in einem Tag oder so einholen. Nachdem ich jetzt weiß, wo ihr in den Wald geht, wird es leicht sein, eurer Spur zu folgen.« Und damit war er verschwunden.
»Ich glaube, dieser Mann weint«,
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