Bone 02 - Das Ende des Himmels
und kehrte noch einmal in den Nebenraum zurück.
Inzwischen hatte sich der seltsame Rauch verzogen. Keiner der Schlafenden rührte sich. Jagadamba hatte die Hände unter das Gesicht gelegt und wirkte mitleiderregend hager. Was mochten die Dachbewohner mit einer so alten Frau anstellen? Sie vergeudeten Unmengen an Fleisch und töteten nach Belieben andere Menschen. Sie schienen zu allem imstande zu sein.
Trotz der Einwände, die Indrani erhoben hatte, warf er sie sich über die Schulter. Dann blieb er noch einmal neben Krishnans Leiche stehen. Er zwang sich dazu, sie anzusehen – das geraubte Leben und das vergeudete Fleisch. Er versuchte das Metallmesser aus der Wand zu ziehen, aber es steckte fest. Dann folgte er Indrani über die endlose Leiter nach oben. Die Maske verstärkte seine Atemgeräusche und schränkte sein Sichtfeld ein.
Schließlich hörten sie andere Geräusche von oben, Maschinen und menschliche Stimmen. Gelegentliche Rufe. Dann waren sie von vielleicht hundert Wärtern des gewöhnlichen Typs umgeben, ohne die roten Streifen an den Armen und Beinen der Kleidung. Alle trugen Masken und abgeschaltete Knüppel.
Einer trat zu ihnen vor. An seiner Jacke waren kleine Stücke aus farbigem Stoff aufgenäht, fast wie Tätowierungen. Also eine Art Häuptling, auch wenn die Elite-Uniformen von Indrani und Stolperzunge ihn nervös zu machen schienen.
Er warf einen Blick auf Jagadamba, die immer noch über Stolperzunges Schulter lag, und dann auf das Blut an seinen Händen. »Also habt ihr doch keine Verstärkung gebraucht?«, fragte er.
Indrani Stimme klang ungewöhnlich barsch. »Was habt ihr denn gedacht?«
»Es ist nur so, dass Dharam sagte, sie seien gefährlicher, als sie …«
»Willst du die Fähigkeiten der Elite anzweifeln?«
Als Antwort schüttelte er energisch den Kopf.
Indrani schob sich bereits durch die Wärter hindurch, die vor ihr zurückwichen.
»Sollen wir jetzt einen Aufräumtrupp hinunterschicken?«, fragte der Häuptling. »Möchtest … möchtest du, dass wir dir das Baby abnehmen?«
Indrani blieb stehen und drehte sich um. »Unten sind die Jungs noch bei der Arbeit. Stört sie nicht. Und wenn ihr irgendwelche Schreie hört …« Sie zuckte nur mit den Schultern.
Der Häuptling schluckte und nickte. Dann machten sich die Flüchtlinge wieder auf den Weg, und niemand wagte es, sich ihnen entgegenzustellen.
12
Die Ungegessenen
In der endlosen Dunkelheit stolperten sie über zahllose Leichen. Nur der Sprecher spendete ihnen ein wenig Licht. Stolperzunges schmerzhafte Stiefel lockerten sich nach und nach, während sie vom Schleim zerfressen wurden. Er spürte die Verletzungen am ganzen Körper, und sein Magen knurrte vor Hunger. Indrani murmelte die ganze Zeit, wie dringend es war, dass sie zum Dach zurückkehrte. Jedes Wort wurde tadellos von der magischen Kugel übersetzt, die ihren Weg erleuchtete. Es war fast wieder wie in den alten Zeiten. Bis auf das Wimmern des Babys und die kalte Luft, die durch die Risse in seiner gestohlenen Uniform eindrang. Doch all diese Dinge konnten ihn nicht von dem ablenken, was er getan hatte.
Er hatte noch nie zuvor einen Menschen getötet, außer um jemanden von seinem Leid zu erlösen. Allerdings hatte er es schon einmal versucht – Varaha fiel ihm ein –, und er hatte sich oft das Ende seines Bruders vorgestellt.
Doch nun konnte der Jäger nicht die Augen schließen, ohne zu sehen, wie das Blut aus Krishnans Hals schoss. Er schmeckte es immer noch auf der Zunge, und manchmal strich er mit den Fingern über die geronnenen Blutflecken auf der Uniform. Jedes Mal erschauderte er.
Nach vielen Zehnteln kamen sie an eine Tür, die der ähnelte, durch die sie ins Obergeschoss gelangt waren. Indrani drückte ein paar Knöpfe auf der Wand daneben, aber die einzige Reaktion war eine dumpfe Stimme, die sie beide zusammenzucken ließ. » Autorisierung erforderlich «, wurden die Worte vom Sprecher übersetzt.
Stolperzunge zog sein Messer und blickte sich gehetzt in der Dunkelheit um.
»Das ist nur eine Maschine«, sagte Indrani und trat mit dem Fuß gegen die Tür. »Und zwar eine ziemlich dumme. Oder sie wurde vom Virus angesteckt.«
»Ich glaube … ich glaube, ich weiß, was wir tun müssen«, sagte er. Ohne die überraschte Reaktion seiner Frau zu beachten, ließ er behutsam die zitternde Jagadamba von seiner Schulter gleiten. Sie keuchte wieder, wie bei ihrer ersten Begegnung. Er vermutete, dass der Schlafrauch irgendetwas damit zu tun
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