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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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brav mit Ennio an, ob ich einigermaßen schlafen könne, er habe von Mama gehört, wie mitgenommen ich sei, es erfülle ihn mit Stolz, eine so empathische Tochter zu haben. Pause. Jetzt war Wilbert dran, dachte ich. Na los, halt schon deine Gardinenpredigt. Ich nahm mir vor, das an sich schon nervenzehrende Telefongespräch, das ich mit Wilbert geführt hatte, mit keinem Wort zu erwähnen. (Er hatte sich angehört, als wäre ihm alles egal, seine durchtriebene Stimme eine Tonlage tiefer als früher, aber nicht weniger herausfordernd und noch immer schroff wie Fels. «Wenn ich frage, ob ihr noch lebt», hatte er gesagt, «dann bedeutet das nicht, dass ich das auch hoffe.» «Wohnst du schon wieder irgendwo?», hatte ich ihn verdattert gefragt. «Und du?», spielte er den Ball zurück, «wohnst du irgendwo? Komm vorbei, dann siehst du, wo ich wohne.» Zwischen seinen Sätzen hatte er merkwürdige Schlürfgeräusche von sich gegeben. Als wir auflegten, war ich erschöpft, fertig, durchnässt von Schweiß.)
    Doch mein Vater kam nicht auf Wilbert zu sprechen. «Joon», sagte er, «hör mal, was ist da los zwischen Aaron und dir?» Auch diese «unerfreuliche Nachricht» habe er von meiner Mutter, wirklich erstaunt sei er ja nicht, er habe uns eine Weile aus der Nähe erlebt, und er sei der Letzte, der den Einfluss einer Katastrophe wie der Explosion der Feuerwerksfabrik unterschätze, alles hänge mit allem zusammen, aber, und jetzt kam’s: Es sei in dieser Situation unmöglich, Entscheidungen über eine Beziehung zu fällen. Er wollte, dass Aaron und ich zusammen in Urlaub fuhren. «Ich lade euch ein.»
    «Papa», sagte ich, «hör auf damit. Kümmere dich um deinen eigenen Kram. Lass mich damit in Ruhe. Du weißt doch gar nicht, was du sagst. Mit dem Typen hab ich abgeschlossen.»
    Er stand kopfschüttelnd auf, nahm seine Krawatte. «Komm mit», sagte er. «Lass uns eine Kleinigkeit in De Beijaard essen gehen.»
     
    Wegen der Hitze standen wir früh auf, um acht Uhr morgens verließen wir die Villa, die wir gemietet hatten. Auf schmalen, piksenden Pfaden staksten wir durch den Maquis, das Binnenland von Korsika, pflückten Kiwis und Zitronen. Je weiter wir uns von der Küste entfernten, desto mehr verbrannten wir, es war gnadenlos heiß auf der Insel, und obwohl wir die meiste Zeit schweigend weitergingen, führten wir dann und wann plötzlich ein ernstes Gespräch, so wie des öfteren in diesem Urlaub. Die Initiative meines Vaters schien ihre Wirkung nicht zu verfehlen. Auch über ihn sprachen wir immer wieder, und uns war sehr wohl bewusst, dass wir ohne ihn jetzt nicht auf Korsika wären, ohne Siem hätten wir wahrscheinlich einen Schlussstrich gezogen. Wir beide fanden: Dafür, dass er den Brand gelöscht hatte, mussten wir ihm dankbar sein.
    In den korsischen Wäldern rochen wir echtes Feuer. Aaron hatte irgendwo gelesen, dass es gerade der Monat des Libeccio war, eines schwülen Südwindes, heimtückischer als der Mistral. Zwischen den hohen Pinienbäumen und den Korkeichen rings um uns herum hörten wir das kurze Getrappel von Schweinen, Gämsen, die schwerelos raschelten – Tiere, die man sonst nie zu Gesicht bekam, und es dauerte nicht lange, bis wir das Feuer sahen, eine orangefarbene Furie, die uns den Sauerstoff wegsog, ein Knacken und Krachen überall. Bei unserem Abstieg zur Küste, Hals über Kopf, manchmal mehr rutschend als gehend, aufgeregt lachend, guckten wir uns immer wieder um, warf ich die Tasche mit Zitronen und Kiwis weg – was ich bedauerte, sobald wir den Hang an der Villa hochstiegen. Da stand ich dann in meinem Bikini und starrte, Hand in Hand mit dem Mann, den ich auf der Hinreise noch abgrundtief gehasst hatte, auf den schwarzen Rauchkragen um die bewaldeten Hügel in der Ferne.
    Am Samstagmorgen hatte er mich abgeholt, nachdem wir gut eine Woche keinen Kontakt mehr gehabt hatten – Mann, wie hasste ich ihn da noch. Wie üblich mussten wir, weil er «auf dem Trockenen» saß, unbedingt noch zur Centrum Apotheke in der Belstraat fahren. Mit einem der Folgerezepte, die ein befreundeter Arzt mit einer Offset-Maschine für ihn druckte, rannte er hinein, und ich kroch ans Steuer des in doppelter Reihe geparkten Alfa. Als er sich mit glückseliger Visage auf den Beifahrersitz setzte, schnauzte ich ihn an, dass er ein Junkie sei, erst immer mehr Schlaftabletten, sagte ich, während ich mir einen Weg aus Enschede hinausbahnte, dann immer größere , eine Tablette wie ein Weihnachtsbaum mit

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