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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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dafür?», fragt Obayashi schleppend. «Bring mich in Kontakt mit einem Verleger, Siem. Ich verspreche mir viel von der Sache.»
    Während der letzten Zusammenkunft der Asian Internet Society, noch im Jahr 1999, hatte der Japaner ihn einer Angelegenheit wegen, die er als private matter bezeichnete, nach einer Präsentation beiseitegenommen. Obayashis Schwiegersohn war, wie sich herausstellte, Geschäftsführer von Nippon Fun, einer japanischen Firma, die für den heimischen Markt ein erfolgreiches Rätselheft herausgab. Eines dieser Rätsel, Number Place, ein Zahlenrätsel, war seit einigen Jahren in Neuseeland überaus populär, und dort hatte auch jemand ein Computerprogramm entwickelt, mit dem man es, etwa für eine Tageszeitung, blitzschnell generieren konnte: Leider hatte er keine Ausgabe bei sich, aber er wollte Sigerius bald ein paar Number-Place-Hefte schicken, damit der sich einen Eindruck davon machen konnte. Mehr noch als sein Schwiegersohn war er der festen Überzeugung, dass die Welt reif für Number Place sei. Nicht lange danach segelte in Enschede ein Umschlag aus Tokio auf die Fußmatte: zwei japanische Hefte mit jeweils sechzig Rätseln und einem Begleitbrief, in dem ihm in Pidgin-Englisch erklärt wurde, dass die Rätsel mit den fünf Chilischoten «Kamikaze» genannt würden und er schon merken werde, warum.
    Erst im Flugzeug nach Shanghai, als er beinahe verrückt wurde von seinem düsteren Gestocher und Gegrübel, hatte er die Hefte aus seinem Handgepäck geholt und sich in sie vertieft. So wie viele Zahlenrätsel, das sah er sofort, waren auch diese von Eulers lateinischen Quadraten abgeleitet. Es handelte sich jeweils um eine Matrix von neun mal neun Kästchen, von denen einige bereits mit einer natürlichen Zahl von 1 bis 9 versehen waren. Die Aufgabe bestand darin, Zahlen in die übrigen Kästchen einzutragen, und zwar so, dass in jeder waagerechten und in jeder senkrechten Reihe die Zahlen von 1 bis 9 genau einmal vorkamen. Außerdem war das Rätsel in drei mal drei Blöcke mit drei mal drei Kästchen unterteilt, die jeweils auch die Zahlen von 1 bis 9 enthalten mussten.
    Vielleicht, überlegt er nun, war es unfreundlich gewesen, Obayashi die Wahrheit zu sagen. «Ich habe noch ein Heft übrig», sagt er, schlagartig versöhnlich, «das werde ich mal meiner Frau geben.»
    Die Wahrheit ist, dass er im Flugzeug innerhalb einer Viertelstunde auf die Lösung gekommen war, denn nach fünf, sechs Rätseln erledigte er das Ganze in Schreibgeschwindigkeit. Seine Gedanken schweiften ab. Wie funktionierten die Raster? Wurde Number Place grundsätzlich schwieriger, je weniger Zahlen vorgegeben waren? Oft war es so, fand er heraus, aber nicht zwangsläufig. Welche Zahlen da bereits standen, war viel entscheidender, obwohl er vermutete, dass man in jedem Fall mindestens achtzehn brauchte. Oder siebzehn? Er formulierte einen Beweis ins Unreine, wobei er von einem Rätsel mit sechzehn vorgegebenen Zahlen ausging. Er rechnete herum und kam zu dem Schluss, dass man zumindest acht verschiedene Zahlen brauchte. Anschließend versuchte er zu berechnen, wie viele korrekt ausgefüllte Rätsel es geben würde – ein interessantes Problem, in dem er sich, ohne es zu merken, eine ganze Weile festbiss (wobei er auf eine Zahl irgendwo zwischen einer 6 und einer 7 mit einundzwanzig Nullen kam, aber inwiefern unterschieden sich all diese Rätsel wirklich? Innerhalb eines solchen Rasters gab es doch Symmetrien und Spiegelungen), denn als er von der gedämpften Frauenstimme an seinem Ohr vor Schreck zusammenzuckte, da war es dunkel in der Businessclasskabine. Ob er etwas zu trinken haben wolle? Um ihn herum schliefen die Geschäftsleute mit Augenmasken.
    Sie waren herrlich gewesen, die paar Stunden, in denen er an nichts anderes gedacht hatte als an die höhere Mathematik hinter den Zahlenrätseln. Als flöge er in einem kleinen Privatjet hoch über der 747 der Singapur Airlines, am Rand der Atmosphäre. Mathematik erwies sich als gute Medizin. Doch noch bevor die Stewardess ihm seinen Whisky gebracht hatte, versank er schon wieder in düstere Ruhelosigkeit.
    «Wenn du mir einen Verleger vermittelst», sagt Obayashi, «dann ist ein Prozent Beteiligung verhandelbar. Für den holländischen Markt natürlich. Und schon das wird dich reich machen, Siem, das verspreche ich dir.»
     
    Nachdem Tineke ihn am Enscheder Bahnhof abgesetzt hatte und die Anspannung der Jubiläumswoche augenblicklich von ihm abgefallen war, begann das

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