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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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zu werden, vereinbarten wir: Streiten ist erlaubt, Streiten ist notwendig, aber nie länger als vierundzwanzig Stunden, danach machen wir uns wieder ans Geldverdienen. Vor etwa drei Wochen hatten wir einen Squashcourt am Irving Drive gebucht, das tun wir so dann und wann, und das ungeschriebene Gesetz verlangt, dass wir während dieser Dreiviertelstunde nicht übers Geschäft reden. Noch bevor der Ball warm war, hatten wir wegen der Old Barracks Streit, den soundsovielten. Da stand unser CEO und founder in seinem verwaschenen Guinness-T-Shirt, Milchflaschen in Grätschstellung, den Schläger wie einen Dolch in der sommersprossigen Faust: «Und ich werde keine zwanzig Millionen für ein Geisterhaus aus Ziegelsteinen bezahlen, und mein Gesicht muss auch nicht in der L. A. Times erscheinen, und ich habe dir keine Anteile verkauft, um Pleite zu machen.» Es war, seit wir zusammenarbeiteten, das erste Mal, dass wir diametral anderer Meinung waren.
    Obwohl dieser Ausbruch nicht unerwartet kam, war ich perplex. Die oft teuren Veränderungen, die ich in den vergangenen Jahren hatte durchführen dürfen, bewiesen Rustys großes Vertrauen in meine betriebswirtschaftlichen Fähigkeiten. Auf meine Initiative hin hatten wir von einer einzigen Website auf sechs speziellere Websites umgestellt, peu à peu natürlich, aber mit durchschlagendem Erfolg. Ich war es, die darauf gedrängt hatte, bessere Kameras anzuschaffen und eine schnellere Internetverbindung zu installieren, sodass unsere Filmsets, technisch gesehen, fast an die der großen Studios in Hollywood und Burbank heranreichten. Er hatte mir bei der Einstellung von Personal freie Hand gelassen. Und das nicht nur bei den kreativen Leuten. Auch als ich Marketingspezialisten, einen Controller und sogar einen Personalreferenten anwerben wollte, damit er Pensions- und Krankenkostenpläne erstellt, protestierte er nicht. Seitdem war unser rückläufiger Gewinn von weniger als drei Millionen auf acht im vorigen Jahr gestiegen.
    Squashcourts wurden entworfen, damit man sich gegenseitig fertigmachen kann: Keiner hört dich, Flucht ist unmöglich, das Licht ist gnadenlos. Ich versuchte, seinen wunden Punkt zu treffen, und sein wunder Punkt ist Europa. «Wells», sagte ich, mit einem Mal nicht mehr so beherrscht, nachdem ich ihm einen Monat lang meine Argumente wie Blumenbouquets präsentiert hatte, «du bist so konservativ, du bist so unbeweglich, du wagst so wenig – du könntest ein Europäer sein.» Rusty mochte es, hin und wieder für die Dauer einer Viertelstunde über die großen multinationalen Unternehmen der, wie er es nannte, old economy herzuziehen: Shell, Barclays, Renault, Total, immer wieder diese Aufzählung aus der Zeit, als er noch für Goldman Sachs gearbeitet hatte, und immer wieder dieselbe pseudointellektuelle Gedankenführung, die bestimmt auf irgendeiner Faustregel gegründet war und von ihm mit so viel Aplomb vorgebracht wurde, dass man nicht genau wusste, ob er es nun ernst meinte oder einen zum Narren hielt. Rusty wie ein Guru auf der Ecke seines Schreibtischs, während er der europäischen Wirtschaft den Kopf wusch.
    «Die klassischen CEOs kapieren es einfach nicht, Joy. Diese Angsthasen denken: Innovation muss her, man muss nachhaltig, man muss ökologisch, man muss dies, man muss das. Sie öffnen eine Dose Manager und stellen nach einem Jahr fest, dass diese feckin’ eejits sich doch etwas anderes ausgedacht haben, als sie es ursprünglich sollten. Also sagen sie: Wir warten noch eine Weile ab. Lahm . »
    «Was willst du?», fragte ich ihn auf dem Squashcourt, «zurück nach Belfast oder eine zusätzliche Null am Ende des Jahresgewinns? In zwei Jahren machen wir entweder fünfzig Millionen, Wells, oder wir sind raus. Was wir jetzt tun, kann jeder. Wir müssen besser werden. Wir müssen größer werden. Anders . Und das weißt du auch.»
    «Das weiß ich überhaupt nicht», sagte er aufgebracht. Sobald er, was selten geschah, seine sämischlederne Geduld verlor, klang sein Englisch ganz klar irisch, gälisch wahrscheinlich. Rusty Wells: Wenn jemand seine Herkunft gern verschleiern wollte, es aber nicht schaffte, dann war er es. In Belfast in einer gemäßigt katholischen Familie aufgewachsen, die in den achtziger Jahren vor lauter Angst vor der radikalen IRA verging, nicht etwa, weil der Terror sie treffen konnte, sondern weil dieser Terror sich den Anschein gab, in ihrem Namen verübt zu werden. Gelegentlich hatte er mir von dem nervösen Abscheu und

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