Bonita Avenue (German Edition)
Mann, durchscheinend blass, ein wenig zu muskulös und parfümiert: Ihm ging auf, dass es ihr Geruch sein musste, den er quer über den Tisch und durch die Kalbswange mit sautierten Weinbergschnecken hindurch riechen konnte.
«Was macht Ihre Tochter eigentlich?», hörte er sich selbst mit belegter Stimme fragen.
Die Frau, auf die sich die Blicke der drei nun richteten, wurde von ziemlich viel Gold in ihren Stuhl gedrückt: rechteckige Ohrgehänge, vier klobige Ringe, ein mächtiges Armband und eine Halskette, die von einem schlechterdings ordinären Dekolleté auf Körpertemperatur gehalten wurde – das Oberteil ihres dunkelblauen Kleids bestand aus einem losen Streifen Samt, der ihren großen Busen bedeckte wie ein schwarzer Balken die Augen eines Kriminellen. Ihr kaum geschminktes, intelligentes Gesicht stiftete Verwirrung, es weigerte sich, zu der auferlegten Laszivität etwas beizutragen. Sie hatte lange, blasse Hände, die mit Sommersprossen übersät waren.
«Brigitte ist meine Frau», sagte Stol. «Vorhin schon habe ich Ihrer aufgeweckten Schwester erzählt, dass ich vor ein paar Jahren einen völlig am Boden liegenden Reitstall für Brigitte gekauft habe. Eine Ruine, die inzwischen nicht wiederzuerkennen ist. Sie hat …»
«Selbst auch einen Mund», unterbrach Brigitte ihn. Sie sah Aaron mit warmen dunkelbraunen Augen an, in denen die Pupillen nicht zu erkennen waren. «Aber er hat recht, mein Wunschtraum ist Wirklichkeit geworden. Pferde sind absolut mein Ding.» Sie hatte einen Den Haager Akzent.
Stol sagte: «Ich liebe Pferde, meintest du wohl.»
«Als wir den Reitstall übernahmen, hatte er einen Stern, jetzt sind es drei. Wie ich schon sagte, es ist absolut mein Ding.» Oder war es ein Leidener Akzent? Auf jeden Fall klang er platt wie eine Honigwaffel. Wichtiger aber war, dass er bei ihr eine Saite angeschlagen hatte, die Pferdesaite, denn sie schob ihren Stuhl an den Tisch heran, als wollte sie sich jetzt richtig an die Arbeit machen. Er musste sie drauflostraben lassen. «Wie viele Pferde haben Sie?» fragte er interessiert, «oder nein, Entschuldigung, wo liegt der Reitstall, das will ich zuerst erfahren.» Joni warf ihm einen erstaunten, forschenden Blick zu.
«Zwischen Scheveningen und Wassenaar», antwortete sie, «unmittelbar am Strand. Die Lage könnte schöner nicht sein, mitten in den Dünen. Reitstall Black Beauty, können Sie sich noch an die Fernsehserie erinnern? Das schien uns ein passender Name zu sein. Hat er sich ausgedacht.» Sie deutete auf Stol, an ihrem Zeigefinger trug sie einen goldenen Ring mit einer ulkigen kleinen Uhr.
«Als Kind habe ich immer Black Beauty geguckt», sagte Joni. «Ich bin verrückt nach Pferden.»
«Eine schöne Geschichte ist auch», sagte Brigitte, von ihrer eigenen erfüllt, «dass Máxima und Willem-Alexander, immer wenn sie am Strand ausreiten, bei uns haltmachen, um Kaffee zu trinken, jede Woche mindestens einmal.» – Sie wartete kurz, um die Wirkung des Mitgeteilten zu testen. «Dann denkt man doch: Was wir machen, ist gar nicht so schlecht. Oder?» Sie schmiegte ihre Schulter an die von Stol.
«Natürlich nicht», sagte der. «Aber auch Willem-Alexander muss irgendwo Kaffee trinken, Schätzelchen.» Er starrte träge und geistesabwesend über Aarons Schulter auf einen Punkt in der Ferne. Der Nebel der Langeweile zwischen diesen beiden Menschen war zu dicht und zu feucht, um sich jemals auflösen zu können; Joni dachte dasselbe, das erkannte er an einem frechen Zwinkern, mit dem sie Stols Blick auf sich zog. «Ich habe geritten, bis ich sechzehn war», sagte sie, «reitest du auch?» Da schau her, dachte Aaron, so verschiebt man die Aufmerksamkeit auf denjenigen, den man tatsächlich interessant findet. Eigentlich waren er und Schätzelchen überflüssig, sie beide waren nur Statisten. «Ab und zu», erwiderte Stol, «du reitest besser, denk ich mal. Du auf einem galoppierenden Pferd, das kann ich mir gut vorstellen.»
Aarons Zähne knirschten. «Nackt und ohne Sattel?», fragte er. Es war flapsig gemeint, klang aber so, als plagte ihn irgendwo ein stechender Schmerz. Stol und Brigitte wechselten Blicke. Joni legte ihr Besteck hin, wischte sich den Mund ab und schaute drein, als wäre sie gerührt. «Wir sind seit vier Jahren zusammen», sagte sie, «aber Aarons Phantasie geht manchmal noch genauso schnell mit ihm durch wie früher.»
Stol grinste dezent. «Sag mal», fragte er auf eine gespielt muntere Weise, um das Gespräch zu
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