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Bonjour Tristesse

Bonjour Tristesse

Titel: Bonjour Tristesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Françoise Sagan
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unserem
Milieu waren Szenen tägliches Brot. Deshalb hörte ich ihr auch ohne jede
Gereiztheit zu.
    Nach dem Essen gingen wir in eines der
Nachtlokale von St. Raphael. Kurz nach unserer Ankunft erschienen Elsa und
Cyril. Elsa blieb an der Tür stehen, sprach sehr laut mit der Garderobiere und
betrat, gefolgt von dem armen Cyril, den Saal. Ich fand, daß sie sich wie eine
Kokotte benahm und nicht wie eine verliebte Frau, aber sie war schön genug, um
es sich erlauben zu können.
    »Wer ist dieser schmachtende Knabe?«
fragte Charles Webb. »Er ist noch reichlich jung.«
    »Das ist die Liebe«, gurrte seine Frau.
»Die Liebe bekommt ihr...«
    »So, glauben Sie!« sagte mein Vater
heftig. »Es ist eine verrückte Laune, sonst nichts.«
    Ich blickte auf Anne. Sie sah Elsa mit
der gleichen ruhigen Unbefangenheit an, mit der sie die Mannequins, die ihre
Kollektionen vorführten, oder sehr junge Frauen betrachtete: ohne jede
Bitterkeit. Einen Moment lang bewunderte ich sie leidenschaftlich wegen ihrer
Großzügigkeit und ihres Mangels an Eifersucht. Ich hätte übrigens nie
verstanden, warum sie auf Elsa eifersüchtig sein sollte. Sie war hundertmal
schöner und eleganter als Elsa. Und da ich beschwipst war, sagte ich es ihr.
Sie sah mich neugierig an.
    »Ich, schöner als Elsa? Findest du?«
    »Ohne jeden Zweifel!«
    »Das hört man immer gern. Aber du
trinkst schon wieder einmal zuviel. Gib mir dein Glas. Macht es dich sehr
traurig, deinen Cyril dahinten zu sehen? Übrigens langweilt er sich.«
    »Er ist mein Geliebter«, sagte ich
fröhlich.
    »Du scheinst völlig betrunken zu sein.
Zum Glück ist es Zeit, nach Hause zu gehen!«
    Erleichtert verabschiedeten wir uns von
den Webbs. Ich sagte sehr zerknirscht »liebe gnädige Frau« zu Madame Webb. Mein
Vater setzte sich ans Steuer, und mein Kopf schwankte auf Annes Schulter hin
und her.
    Ich dachte daran, daß sie mir lieber
war als die Webbs und lieber als alle die Leute, mit denen wir gewöhnlich
verkehrten. Sie war besser, intelligenter und hatte mehr Würde. Mein Vater
redete nicht viel. Sicherlich erlebte er in Gedanken noch einmal Elsas Auftritt.
    »Schläft sie?« fragte er Anne.
    »Wie ein kleines Mädchen. Sie hat sich
verhältnismäßig gut benommen. Bis auf die Anspielung auf das ›Aushalten‹, die
etwas zu deutlich war...«
    Mein Vater begann zu lachen. Schweigen.
Dann hörte ich wieder die Stimme meines Vaters.
    »Anne, ich liebe dich, ich liebe nur
dich. Glaubst du mir?«
    »Sag es mir nicht so oft, das macht mir
Angst...«
    »Gib mir deine Hand.«
    Fast hätte ich mich aufgerichtet und
protestiert: »Nein, nicht während du über die Corniche fährst.« Aber ich war
etwas zu betrunken, und das Parfüm von Anne, der Meerwind in meinem Haar, die
kleine Wunde, die Cyril mir an der Schulter gemacht hatte, während wir uns
liebten — so viele Gründe, um glücklich zu sein und zu schweigen. Ich schlief
ein. Jetzt bestiegen Elsa und der arme Cyril wahrscheinlich mühselig das
Motorrad, das ihm seine Mutter zu seinem letzten Geburtstag geschenkt hatte.
Ich weiß nicht, warum mich das zu Tränen rührte. Das Auto war so weich, so gut
gefedert, so geschaffen, um darin zu schlafen... schlafen... Madame Webb konnte
jetzt sicher nicht einschlafen. In ihrem Alter würde ich zweifellos auch junge
Männer dafür bezahlen, daß sie mich liebten, denn die Liebe ist süßer und
lebendiger und vernünftiger als alle anderen Dinge. Und der Preis spielt keine
Rolle. Wichtig war nur, daß man nicht bitter und eifersüchtig wurde wie Madame
Webb auf Elsa und Anne. Ich begann leise zu lachen. Anne machte ihre Schulter
noch etwas hohler. »Schlaf«, sagte sie streng. Und ich schlief ein.

ACHTES KAPITEL
     
    A m nächsten Morgen wachte ich auf und
fühlte mich, obgleich ich etwas zuviel getrunken hatte, völlig wohl. Ich war
kaum müde, und nur mein Genick schmerzte etwas. Wie jeden Morgen war mein Bett
in Sonne gebadet; ich schob die Decken zurück, zog meine Pyjamajacke aus und
bot meinen nackten Rücken der Sonne dar. Mit der Wange auf meinem abgebogenen
Arm liegend, sah ich im Vordergrund die groben Fäden des Leintuchs und weiter
hinten, auf den Fliesen, die zögernden Bewegungen einer Fliege. Die Sonne war
weich und warm, und ich hatte das Gefühl, als ob sie die Knochen unter meiner
Haut berühre und sich besondere Mühe gebe, mich zu erwärmen.
    Ich beschloß, den Morgen so zu
verbringen, ohne mich zu bewegen.
    Nach und nach wurde der gestrige Abend
wieder in mir

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