Bony und der Bumerang
darauf erneut zu bilden. Der Wallach war dadurch in seinen Bewegungen noch mehr behindert, brach in Schweiß aus und verlor weiße Schaumflocken. Sein Atem pfiff. Das Pferd war mehr erschöpft als nach einem Galopp über zehn Meilen, obwohl erst die halbe Strecke zurückgelegt war.
In diesem Augenblick verschätzte sich Tiger bei einem Sprung und versank mit beiden Hinterbeinen in einem Spalt. Dugdale reagierte sofort, wurde aber trotzdem aus dem Sattel geschleudert. Glücklicherweise hatte er die Zügel noch fest in der Hand. Halb betäubt taumelte er hoch und half dem Tier, aus dem Spalt freizukommen. Mit zusammengebissenen Zähnen kletterte der junge Mann wieder in den Sattel, trieb den nun völlig verängstigten Wallach an.
Drei Minuten später – bis zum rettenden Ufer waren es noch über vierhundert Meter – hörte Dugdale das Gurgeln und Rauschen in den Spalten. Das Wasser stieg rasch an, und die Spitze der Flut war nur noch eine Viertelmeile entfernt.
In diesem Augenblick gab Dugdale fast die Hoffnung auf, das rettende Ufer zu erreichen, obwohl die roten Sandhügel zum Greifen nahe schienen. Überall glitzerten plötzlich Wasserlachen, der Boden unter Tigers Hufen schien sich aufzulösen.
Die sechs Meter hoch aufgestaute Flutwelle hatte sich bis auf dreißig Meter genähert, wälzte in dem weißen Gischt Geröll und abgebrochenes Geäst vor sich her. Das Ufer aber war noch dreihundert Meter entfernt, und Tiger kam nur im Schrittempo voran.
Das Pferd hatte sich bis auf neunzig Meter an das Ufer herangearbeitet, als es plötzlich versank. Schlammiges Wasser umspülte Dugdales Knie. Tiger schrie entsetzt auf, dann wurden Reiter und Pferd von der gewaltigen Flutwelle mit ihrem toten und lebenden Treibgut überrollt.
Keiner der vielen Äste und Stämme war groß genug, um Dugdale tragen zu können. Das Pferd versank bis zu den Schultern, und Dugdale warf sich seitlich aus dem Sattel. Als er aus dem Gischt auftauchte, entdeckte er in Reichweite einen morschen Zaunpfahl. Er packte zu und zuckte zusammen. Ein glühendes Eisen schien seine Rechte getroffen zu haben – eine Bulldogameise hatte zugebissen. Gleichzeitig ringelte sich um das andere Handgelenk ein schlüpfrig kaltes Gebilde. Doch dies alles nahm Dugdale nur im Unterbewußtsein wahr, während er gegen das Inferno aus Ästen und entwurzelten Bäumen ankämpfte. Und dann war die Flutwelle ebenso plötzlich, wie sie gekommen war, vorüber, und Pferd und Reiter befanden sich in verhältnismäßig klarem Wasser.
Tiger schrie erneut auf – doch diesmal nicht aus Furcht, sondern vor Schmerz. Ein giftiges Insekt hatte sich in dem schweißbedeckten Rücken des Wallachs festgebissen. Aber dieser Biß bedeutete für das Pferd die Rettung. Tiger machte einen gewaltigen Satz, gewann einige Meter und versank so tief im Wasser, daß nur noch der Kopf herausschaute. Dann schoß er mit einem nochmaligen Ruck vorwärts – und wie durch ein Wunder fand er festen Boden unter den Hufen.
Das nur noch träge fließende Wasser reichte bis an Tigers Vorderknie. Der Wallach zitterte am ganzen Körper und sah sich aus großen Augen nach seinem Reiter um.
Dugdale umklammerte immer noch den Zaunpfahl. Als er die linke Hand löste, schnellte der Kopf einer kleinen braunen Schlange unter heftigem Zischen zurück. Wäre die Schlange nicht ebenso erschrocken wie Dugdale, sie hätte zweifellos zugebissen. Der junge Mann schleuderte mit einer Reflexbewegung das Reptil von sich, das weit entfernt ins Wasser klatschte. Der Boden unter seinen Füßen war klebrig und schlüpfrig. Dugdale warf sich vorwärts, ließ sich vom Wasser tragen und hatte gleich darauf sein Pferd erreicht. Zu seiner freudigen Überraschung stand es auf festem roten Sandgrund.
Eine volle Minute lang tätschelte er das Tier, bis es sich einigermaßen beruhigt hatte. Das Wasser stieg langsam, führte zahllose halbertrunkene Insekten mit. Dugdale entfernte eine Anzahl Bulldogameisen, die sich an Tiger und auch an ihm festklammerten, dann setzte er vorsichtig Fuß vor Fuß.
Der Wallach war nur widerwillig bereit, den sicheren Boden zu verlassen, doch nach einigen bangen Minuten hatten sie tatsächlich den Paroo durchquert.
Dugdale zog seine Jacke aus und sattelte Tiger ab. Dann rieb er das Pferd mit dem Wolltuch gründlich ab und sattelte es wieder. Sinclairs Brief war durchweicht, und der junge Mann legte ihn zum Trocknen in die Sonne. Sinclairs Brieftasche hatte das feuchte Abenteuer besser überstanden.
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