Bony und die weiße Wilde
wir sind sehr stolz auf ihn. Wenn er - wie Marvin - krank werden sollte, dann wüßte ich wirklich nicht, was ich tun sollte. Hm! Viel Aufhebens würde ich bestimmt nicht um ihn machen, aber wahrscheinlich würde ich ihm zu helfen versuchen - falls Hilfe möglich wäre.«
»Sie haben eine sehr gute Erziehung genossen, nicht wahr?« Sie blickte ihn forschend an.
»Ja, viel Nutzen habe ich allerdings nicht davon gehabt. Aber Sie haben mich nun neugierig gemacht und müssen mir mehr von dem verlorenen Sohn der Rhudders erzählen. Was geschah, als er zurückkehrte?«
»Sie werden aber mit niemandem darüber sprechen - auch nicht mit Matt und Emma?«
»Natürlich nicht. Aber eigentlich geht es mich ja gar nichts an. Lassen wir es also lieber.«
»Doch. Ich halte es für richtig, daß Sie Bescheid wissen, falls Jeff heute nachmittag darauf zu sprechen kommen sollte. Jeff vermutet nämlich, daß Marvin nach Hause gekommen ist. Sie müssen wissen, daß wir es vor ihm verheimlicht haben. Eines Morgens sammelte ich die Eier ein, und da fand ich
Marvin im Maschinenschuppen. Er wollte wissen, wie ihn der alte Jeff wohl aufnehmen würde. Ich sagte ihm, daß ich zunächst mit seiner Mutter sprechen wolle. Jeff hat nämlich mindestens hundertmal geschworen, Marvin niederzuschießen, falls er ihm je wieder unter die Augen käme. Natürlich würde er es nicht tun, schließlich ist er ja sein Vater. Trotzdem kam ich mit Mrs. Rhudder überein, daß es besser sei, wenn Jeff ihn nicht zu Gesicht bekäme und er auch nicht auf der Farm bliebe. Marvin sagte, er habe in Sydney wieder etwas angestellt und werde von der Polizei gesucht, und er hätte es satt, ewig wie ein Tier gehetzt zu werden. Er versprach, sich von nun an anständig zu führen, aber selbst seine Mutter glaubte nicht daran. Jedenfalls weigerte er sich, wieder zu verschwinden, und darum ließen wir Luke kommen. Lukes Wort hat mehr Gewicht als das von Mark. Nun, Luke kam also von Perth herüber und verwies Marvin zunächst einmal vom Grundstück. Marvin schlüpfte in der alten Blockhütte auf der anderen Seite der Lagune unter, und wir versorgten ihn mit Verpflegung und kauften ihm neue Kleidung. Zum Schluß gab ihm Luke dann noch Geld, und Marvin verschwand. Er wollte den Weg durch den Wald nehmen und dann per Anhalter nach Freemantle fahren. Er versprach, von dort aus mit einem Schiff ins Ausland zu verschwinden. Jeff weiß von alledem nichts, und er soll es auch nicht erfahren. Er hat genug durchgemacht. Er war zu mir und zu meiner Mutter immer sehr großzügig. Vielleicht könnte er es mir übelnehmen, wenn er erfährt, daß ich Marvin half. Sie denken also daran, wenn er Ihnen Fragen darüber stellen sollte, ja?«
»Gut.« Bony nickte. »Wie Sie sagen, hat er Verdacht geschöpft. Wie kam er denn darauf?«
»Wir nehmen an, durch Lukes plötzliches Auftauchen. Luke war mit seiner Familie über Weihnachten und Neujahr auf der Farm, und nun kam Luke nach so kurzer Zeit schon wieder, und diesmal allein. Am nächsten Morgen erschien dann auch noch die Polizei und erkundigte sich, ob wir etwas von Marvin gehört hätten. Jetzt bestand Luke darauf, daß
Marvin so schnell wie möglich verschwinden und sich nie wieder blicken lassen solle.«
»Wirklich eine Tragödie«, murmelte Bony. »Besonders für seine Mutter muß es schrecklich sein. Ja, ich werde mich in acht nehmen, falls Jeff die Rede darauf bringen sollte.«
»Vielen Dank, Nat.«
Sadie stand auf und packte Thermosflasche und Becher in den Beutel. Bony brachte das Angelgerät in Ordnung und zog ein Stück Schnur durch die Kiemen des Fisches, um ihn besser tragen zu können.
»Es gibt einen Grund, weshalb Jeff Sie ausfragen könnte«, sagte Sadie beim Aufbruch. »Er weiß ja schließlich, daß Emma mit Mrs. Sasoon sehr befreundet ist, und da könnte er annehmen, daß Sie auf diesem Wege etwas erfahren haben. Aber da Marvin nun die Gegend verlassen hat, möchten wir, daß die ganze Geschichte so schnell wie möglich vergessen wird.«
»Das ist verständlich. Ich weiß auch, daß Emma und Matt sich ernstliche Sorgen um Jeffs Gesundheit machen. Matt hat mir erzählt, wie eng die beiden immer befreundet waren. Ich kann deshalb verstehen, daß die beiden mit mir über diese Dinge gar nicht sprechen wollen. Schließlich bin ich für sie ein Fremder. Also machen Sie sich keine Sorgen, ich werde schon aufpassen.«
Sadie lächelte ihn dankbar an. Dann blickte sie auf die Uhr.
»Wir müssen uns auf den Heimweg machen.
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