Bony und die weiße Wilde
recht gut mit Marvin. Als er dann nach Perth ging, schenkten die Eltern ihre Zuneigung natürlich Mark, der zu Hause blieb und arbeitete. Ich weiß nicht, was sie ohne Mark angefangen hätten.«
»Und Sadie?«
»Sadie ist letzten Endes eben doch nur eine Fremde. Sie ist praktisch eine Angestellte, die das Vieh versorgt und verarztet.«
»Mark ist ein sehr zurückhaltender Mensch.« Ein Känguruh huschte über den Weg, und Bony mußte scharf bremsen. »Er sagt wenig und denkt viel. Macht er sich eigentlich etwas aus Mädchen? Hat er die üblichen Interessen seiner Altersgenossen?«
»Soviel ich weiß, interessiert er sich für ein Mädchen in Manjimup. Aber ich habe keine Ahnung, ob diese Geschichte ernst ist. Wie Sie ganz richtig sagen, ist er sehr zurückhaltend. Früher war alles anders.«
»Sie meinen - vor vielen Jahren?«
»Ich meine, bevor Marvin unsere Rose fast umbrachte.« Sie berührte leise Bonys Hand am Steuer. »Sie sind immer so rücksichtsvoll, Nat, aber Sie brauchen nicht zu fürchten, uns zu verletzen. Wie oft habe ich seitdem schon mit Matt über all das gesprochen. Matt ist übrigens ein anderer Mensch geworden, seit Sie da sind.«
»Weniger verbittert?«
»Weniger empfindlich.«
»Das freut mich. Lassen Sie uns noch einmal auf Luke zurückkommen. Nachdem Marvin wieder aufgetaucht war, rief man Luke zu Hilfe. Jeff wußte nichts davon, ich glaube, man verheimlichte ihm alles. Aber ich brauche Antwort auf eine wichtige Frage, Emma: Gestern früh hat der alte Jeff mit dem Gewehr in der Hand die Schuppen und Scheunen durchsucht. Was suchte er? Nur die eisernen Leuchter, weil er annahm, Luke habe sie mit nach Perth genommen? Oder glaubt er, man habe sie Marvin gegeben, damit er Licht hat in seinem dunklen Versteck?«
»Darauf weiß ich wirklich keine Antwort«, entgegnete Emma nach längerem Nachdenken. »Ich glaube, Matt könnte diese Frage besser beantworten.«
»Es gibt Fragen, die eine Frau logischer beantworten kann als ein Mann. Matt würde vielleicht nur ins Brüten kommen, wenn ich diese Dinge mit ihm bespreche. Wir wollen ihm gegenüber also von unserer kleinen Unterhaltung gar nichts erwähnen, ja?«
»Wenn Sie es wünschen.«
»Gut. Später, wenn alles vorüber ist, brauchen wir nichts mehr vor ihm zu verheimlichen. Wie ist es also mit meiner Frage? Soll ich sie noch einmal wiederholen?«
Wieder dachte Emma eine Weile nach.
»Der alte Jeff hängt sehr an seinen Sachen, besonders an seinen sogenannten >Schätzen<. Diese Leuchter waren alt und sehr schwer und meiner Meinung nach nur noch als Türhalter zu gebrauchen. Jeff mag da vielleicht anderer Ansicht sein. Ich weiß nicht, ob das Zeug einen Wert besitzt. Möglich wäre es - und vielleicht hat Luke sie deshalb mitgenommen. Er ist nicht mit Reichtümern gesegnet. Sie sagten, daß Jeff ein Gewehr dabei hatte. Nun, ich glaube trotzdem nicht, daß er nach Marvin mit der gleichen Verbohrtheit suchen würde wie nach seinen Schätzen.«
Emma schwieg sekundenlang, dann fuhr sie fort: »Vorjahren kannten wir einen Mann, der eine äußerst schwierige Frau hatte. Es gehörte zu ihren Praktiken, mitten in der Nacht aufzustehen, zum Bach zu laufen und zu drohen, sich zu ertränken. Schließlich hatte ihr Mann dieses Theater so satt, daß er eines Nachts als sie wieder bis zu den Knien im Bach stand, ihr zurief, sie solle sich doch nun endlich ins Wasser stürzen, damit Ruhe sei. Dann legte er sich wieder ins Bett, und zehn Minuten später lag seine Frau neben ihm. Sie hat nie wieder Launen gehabt. Überspannte Menschen drohen oft, dieses oder jenes zu tun, ohne ernstlich daran zu denken. Der alte Jeff hat so oft gedroht, Marvin zu erschießen, aber ich bin sicher, daß er es nie tun würde.«
Bony lachte. »Sie sind ja eine kleine Philosophin, Emma. Wo haben Sie eigentlich Ihre Weisheit her?«
»Weisheit! Aber ich kann mir schon denken, was Sie damit sagen wollen, Nat. Das habe ich alles aus Karls Büchern. Ich habe ihm schon Hunderte vorgelesen. Aber die Geschichte mit der Frau ist tatsächlich passiert.«
Der Briefkasten der Jukes, der an einem Jarrabaum genagelt war, tauchte im Scheinwerferlicht auf. Bony schaltete herunter, bog in den Zufahrtsweg ein und hielt vor der Garagentür an. Matt war bereits durch das Hundegebell von ihrer Ankunft verständigt worden und hatte Kaffee gekocht.
Emma berichtete sofort, was es in Timbertown gegeben hatte, aber auch Matt konnte sich keinen Vers darauf machen, was Sadies seltsames Verhalten
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