Bony und die weiße Wilde
bedeuten könnte.
Schließlich bat Bony noch einmal um das Familienalbum. Behutsam blätterte er Seite um Seite, bis er ein bestimmtes Gruppenbild fand, das er genau studierte. Das Foto zeigte von links nach rechts Marvin, Sadie, Rose und Ted Jukes. Die beiden Jungen trugen Krickethosen und Mützen mit den Klubfarben. Marvin hatte den Beinschutz umgeschnallt und hielt lässig das Schlagholz in der Hand. Sadie und Rose trugen Sommerkleider. Das Kleid von Sadie war weiß mit Punkten.
Das Bild strahlte unbeschwerte Fröhlichkeit aus. Ted Jukes lachte und hielt winkend die rechte Hand hoch. Bony erinnerte sich an Emmas Worte, daß Matt, was das Vergangene anbetraf, nicht mehr so empfindlich sei wie früher, und er legte das Album ohne viel Umstände vor den Farmer hin.
»Wissen Sie noch, bei welcher Gelegenheit dieses Bild gemacht wurde?«
»Ja«, erwiderte Matt ohne Zögern, nachdem er das Foto betrachtet hatte. »Das war während Marvins letzter Ferien vom College. Die Kinder veranstalteten ein Kricketmatch mit Timbertown. Ted schaffte einundvierzig Läufe, Marvin hingegen nur zehn. In diesem Fall war Ted einmal besser als Marvin.«
Emma konnte ihre Neugier nicht länger bezähmen. Sie stand auf und blickte Matt über die Schulter. Überrascht schnappte sie nach Luft, und Matt fragte irritiert, was denn los sei.
»Jetzt erinnere ich mich«, sagte sie und blickte Bony bewundernd an. »Ich sehe alles wieder ganz deutlich vor mir. Es muß jetzt vierzehn Jahre her sein. Sadie trug ein weißes Kleid m it roten Punkten. Und heute kauft sie sich ein Kleid, das fast genauso aussieht. Was hat das Mädchen vor?«
Matts kräftige Finger zerdrückten die Ecke der Albumseite, und Bony zog das Album sanft weg, klappte es zu und reichte es Emma, die es im Schreibschrank verschloß. Als sie an den Tisch zurückkehrte, starrte ihr Mann gedankenverloren in die Lampe, und Bony drehte sich eine Zigarette.
In seinem Unterbewußtsein wollte sich ein Gedanke formen, aber er nahm keine greifbaren Umrisse an.
»Sie fährt also nach Timbertown, um sich ein Hauskleid zu kaufen«, rekapitulierte Bony, um endlich seiner fruchtlosen Grübelei ein Ende zu setzen. »Während ihre Mutter eine Freundin besucht, kauft sie sich einige Sachen, die sie bar bezahlt, anstatt das Rhuddersche Konto damit zu belasten. Als sie das Kaufhaus verläßt, hat sie das Hauskleid und die anderen Kleinigkeiten - auch die für Sie besorgten Dinge, Emma - in dem Korb, den sie auf den Rücksitz stellt, während das Kleid und die Schuhe im Kofferraum verstaut werden. Zu Hause angekommen, nimmt die Mutter den Korb mit ins Haus, Sadie denkt aber nicht daran, die Pakete aus dem Kofferraum ebenfalls mitzunehmen. Nun ergibt sich die Frage: Hat sie Kleid, Schuhe und Handschuhe ohne Wissen ihrer Mutter gekauft? Und weiter: Handelt es sich dabei tatsächlich um ein Geschenk für eine Freundin, oder sind die Sachen für sie selbst bestimmt? Und wenn ja - wozu? Ich frage mich ernstlich, was das bedeuten soll.«
18
Am nächsten Morgen fuhr Bony hinaus zum Polizeicamp. Auf dem Rücksitz hatte er Brot, Fleisch und andere Kleinigkeiten. Der Himmel war leicht bedeckt, und die Sonne schimmerte nur als matte Scheibe durch den Dunst. Ein schwacher Wind wehte von Osten - er war trocken und heiß.
Bony sah Fred bäuchlings mit dem Fernglas auf Beobachtungsposten. Etwas unterhalb von ihm lag Lew, den Hut über das Gesicht gezogen. Wachtmeister Breckoff trat blinzelnd aus dem Zelt. Er trug einen blauen Pyjama und wirkte ein wenig schuldbewußt, doch im nächsten Augenblick sagte er voller Elan: »Vergangene Nacht hat sich etwas getan, Nat. Jetzt wird es interessant. He, Lew! Komm ’runter und pack das Zeug weg. Und nun kommen Sie mal mit nach oben, Nat. Ich muß Ihnen etwas zeigen.«
Ohne sich erst Schuhe anzuziehen, kletterte Breckoff vor Bony die Anhöhe hinauf. Oben neben Fred angekommen, sagte er: »Visieren Sie einmal entlang dieser beiden Stäbchen, und dann hören Sie. Ich befand mich auf Posten, und die Nacht war finster - kein Mondschein. Wie üblich konnte man das Leuchtfeuer von Leeuwin sehen. Dann fuhr ein hellerleuchteter Passagierdampfer von Albany herüber, und als er gerade in Höhe des Laguneneingangs war, blinkte drüben in diesen Teesträuchern eine Taschenlampe auf. Ich habe diese beiden Stäbchen in den Boden gesteckt, um die Position zu sichern.«
Bony legte sich auf den Bauch und brachte die beiden Stäbchen in eine Linie. Jetzt blickte er genau auf jene
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