Bony und die weiße Wilde
Kerzenstummel in den Leuchtern mochten noch eine Stunde brennen.
Die Baskenmütze! Das silberne Abzeichen ließ darauf schließen, daß es dieselbe war, die Marvin Rhudder in jener Mondnacht trug, als er von Karl Mueller beobachtet wurde. Das Ganze wirkte wie ein Altar, nur daß an der Stelle einer Bibel die Baskenmütze zwischen den Leuchtern lag.
Bony hatte plötzlich das Gefühl, Blei an den Füßen zu haben, und er spürte einen Klumpen im Magen, als er sich der Kiste unter der Karbidlampe zuwandte. Sie war aus Mahagoni gefertigt und mit kupfernen Beschlägen versehen.
Aber dann überlegte er es sich anders und blickte sich zunächst weiter in der Höhle um. Er machte die Entdeckung, daß sie sich von dem tunnelartigen Eingang ungefähr zehn Meter weit ins Innere erstreckte. Die größte Breite betrug sechs Meter. Am hinteren Ende erhoben sich einige spitze Steine wie Zähne aus dem Sand. An der einen Seite führte ein schmaler Durchgang in eine kleinere Nebenhöhle. Der feine Sand auf dem Boden erweckte Bonys Interesse, und er konnte sich sein Vorhandensein nur so erklären, daß er entweder durch den Wind oder vor langer Zeit durch eine besonders hohe Flutwelle hereingetragen worden sein mußte.
Schließlich kehrte er zum Höhleneingang zurück und rauchte eine Zigarette, die er nach der Nervenanspannung der letzten Minuten dringend benötigte. Es war offensichtlich, daß der Mann, den er suchte, nicht mehr hier lebte - wenn er überhaupt je hier gelebt hatte. Seine Baskenmütze befand sich hier an dieser Stelle, und der Koffer mit seinen persönlichen Dingen und dem Geld war in einem hohlen Baum versteckt gewesen.
Nach Sadies Worten hatte Marvin Rhudder auf Lukes Vorhaltungen hin die Gegend verlassen. Luke war inzwischen ebenfalls abgereist. Was er - Inspektor Bonaparte - in dieser Höhle gefunden hatte, ließ kaum einen Zweifel, daß der Gesuchte tatsächlich bereits vor Tagen aus der Gegend verschwunden war. Und Sadie Stark schien die Erinnerung an ihn durch einige persönliche Dinge wachzuhalten, ähnlich wie dies Eltern von gefallenen Söhnen tun.
21
Wenn er einen Assistenten bei sich gehabt hätte, würde er ihn nach oben geschickt haben, um Lew Bescheid zu geben. So aber mußte er selbst hinaufsteigen.
»Marvin Rhudder befindet sich nicht unten«, sagte er, als er sich neben Lew niedergelassen hatte. »Die ganze Höhle ist angefüllt mit dem Duft von Sadies Parfüm, deshalb konnte ich nicht sehr viel mit der Nase wahrnehmen. Auf dem Boden liegt Sand, aber er ist viel zu trocken, um Fußeindrücke festzuhalten.«
»Was hat sie denn da unten gewollt?« war Lews berechtigte Frage.
»Ich denke, sie bewahrt dort einige Andenken an Marvin auf. Ich sah eine Baskenmütze - so eine, wie Marvin sie bei seiner Rückkehr trug. Außerdem befinden sich noch andere Sachen da unten. Ich sah eine große Lade mit kupfernen Beschlägen, zwei alte Leuchter, drei altertümliche Harpunen und eine Schaufel mit abgebrochenem Stiel. In einer kleineren Nebenhöhle fand ich eine Kiste mit Eßbestecken und Zinngeschirr - alles rostig und beschlagen und seit vielen Jahren nicht benützt. Eine zweite Durchsuchung fördert vielleicht noch andere Dinge zutage.«
»Harpunen!« meinte Lew kopfschüttelnd. »Was sollen die da unten?«
»Ich denke mir, daß diese Höhle damals, als Marvin noch zu Hause war, den Jungen und Sadie als geheimer Treffpunkt diente. Das muß allerdings zu jener Zeit gewesen sein, als Ihr Sohn nicht mehr mit ihnen spielte, sonst hätte er ja über diese Höhle Bescheid gewußt. Auf einem kleinen Sims in der Felswand stand eine Zigarrenkiste mit Angelhaken - alles alt und rostig.«
»Haben Sie in die hölzerne Truhe geschaut, Nat?«
»Das hebe ich mir für das nächste Mal auf. Ich möchte unten sein, wenn Sadie wiederkommt.«
Nachdem Lew diese Neuigkeiten verdaut hatte, meinte er, daß Marvin demnach woanders stecken müsse, Bony erwiderte jedoch, er sei jetzt überzeugt, daß der Gesuchte die Gegend verlassen habe.
»Dann können wir ja wieder nach Hause gehen, wie? Unser Proviant nimmt nämlich gewaltig ab«, meinte Lew.
»Wenn Sie wie Fred die Schule besucht hätten, Lew, dann wüßten Sie, daß man von einer Sache zwar überzeugt sein kann, daß dies aber noch lange kein Beweis ist. Den Beweis werden wir haben, wenn Sadie das nächste Mal kommt. Dann werden wir erfahren, was sie da unten treibt. Was glauben Sie denn - was hat sie den ganzen Nachmittag in der Höhle gemacht?«
»Da müssen
Weitere Kostenlose Bücher