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Bookman - Das ewige Empire 1

Bookman - Das ewige Empire 1

Titel: Bookman - Das ewige Empire 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lavie Tidhar
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Spitze blinkt ständig ein
Licht, um die Luftschiffe, die Tag und Nacht über der Stadt kreuzen, zu warnen.
Wenn man noch höher aufsteigt, kann man sehen, wie sie gleich einem Raben- oder
Reiherschwarm über die Stadt fliegen. Tag und Nacht sind sie unterwegs, diese
(wie man sagt) Augen und Ohren der Echsenkönige, die den jenseits von Chiswick
und Hounslow liegenden Großen Westlichen Aerodrom anfliegen beziehungsweise von
dort gestartet sind.
    Kehren wir zum Strand zurück und zum Bahnhof, der an einem Ende
ständig Rauch und Dampf ausspuckt. Gerade kommt ein Zug, eine Metallraupe, aus
seinem klaffenden Maul und schlängelt sich in südwestliche Richtung, vorbei am
schmutzigen Industriegebiet Clapham, dann weiter durch das vornehme Putney, wo
wohlhabende Bürger in hell erleuchteten Häusern am Fluss dinieren, vorbei an
den gut bewachten, stillen Villen von Kew, bis er schließlich an einem üppig
begrünten Ort voller ländlicher Reize ankommt, nämlich in der ruhigen,
florierenden Stadt Richmond-upon-Thames, wo die Königin ihren Sommerwohnsitz
hat.
    Eine einsame Gestalt springt aus der Metallraupe. Es ist Orphan, der
sogleich aus dem Bahnhof rennt und die High Street entlanghastet, vorbei an
pittoresken, altmodischen Läden, in denen Bücher mit Goldschnitt, in
Saffianleder gebunden, angeboten werden sowie frische Fliegen (mit königlicher
Lizenz!, brüstet man sich auf dem Ladenschild), Angeln, Bootsfahrten,
Delikatessen, Medikamente und Blumen. Keuchend jagt er die Hill Street hoch,
lässt Pubs wie den White Hart, den Spread Eagle, den Lizard and Crown hinter
sich, um endlich, schweißüberströmt und völlig außer Atem, am offenen Tor des
Königlichen Parks anzulangen.
    Grelles Licht beleuchtete den großen offenen Platz, auf dem
es von Menschen wimmelte. Es herrschte Feststimmung, und von den am Rande des
Platzes aufgebauten Buden wehte der Geruch gerösteter Erdnüsse und der Duft von
Glühwein herüber. Viele der Anwesenden trugen große runde Hüte, die als
Andenken verkauft wurden, sowohl in Rot – der Farbe des Mars – als auch in
Echsengrün – der Farbe Ihrer Majestät. Außerdem hatten viele Fähnchen in der
Hand, die sie hin und her schwenkten.
    Verzweifelt drängte sich Orphan durch die Menge. Vor sich erblickte
er die Umrisse des majestätischen schwarzen Luftschiffes, das die Sonde über
Land und Meer zu Calibans Insel bringen würde, wo der eigentliche Abschuss
stattfinden sollte. Fluchend und ohne auf die erbosten Blicke, die er erntete,
zu achten, kämpfte er sich voran. Wo war Lucy?
    Trotz des Lärms, den die Menge machte, drang eine vertraute Stimme
an sein Ohr: Premierminister Moriarty kam gerade zum Schluss seiner Rede. Ihm
blieb also noch etwas Zeit!
    Als er den Kopf hob, sah er das Podium, auf dem Moriarty stand. Auf
einen Blick erkannte er die dort versammelten Würdenträger. Neben dem
Premierminister saß der Prinzgemahl, ein kleiner, untersetzter Echserich in
voller Montur, dessen Reptilienaugen über die Menge schweiften und dessen Kopf
sich ständig hin und her bewegte. Von Zeit zu Zeit schnellte seine lange, dünne
Zunge aus der länglichen Schnauze, als schmeckte sie die Luft ab. Etwas weiter
hinten meinte Orphan Sir Harry Flashman, VC , zu
erkennen, den berühmten Offizier und Helden von Jalalabad, der als Favorit der
Königin galt. Auf der anderen Seite des Premierministers saß, mit ernstem,
aufmerksamem Gesicht, Inspektorin Adler. Solche Leute müssten doch spüren, in
welcher Gefahr sie schweben, dachte Orphan.
    Aber nein, weit gefehlt! Er drängte sich vorwärts, wider alle
Vernunft hoffend, nicht zu spät zu kommen. Doch in diesem Moment verstummte
Moriarty – die Rede war zu Ende (zu früh!), die Menge brach in Applaus aus. Mit
einer letzten, verzweifelten Anstrengung gelang es Orphan, die vorderste Reihe
der Zuschauer zu erreichen.
    Unmittelbar vor ihm ragte das Luftschiff auf. Darunter befand sich
die Sonde, ein kleiner Metallgegenstand, der im Vergleich zum Luftschiff winzig
wirkte und wie ein auf dem Rücken liegender Marienkäfer aussah.
    Die Klappe der Sonde war geöffnet, und Lucy trat mit langsamen,
vorsichtigen Schritten auf sie zu.
    Jetzt hatte sie die Sonde erreicht. In den Händen hielt sie die Edison-Platte,
auf der ein Buch lag. Sie bückte sich, um die beiden Gegenstände ins Innere der
Sonde zu

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