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Bookman - Das ewige Empire 1

Bookman - Das ewige Empire 1

Titel: Bookman - Das ewige Empire 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lavie Tidhar
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verwinkelten Straßen von Southwark. »Nicht hier«, hatte Irene Adler gesagt.
Dabei hatte sie um sich geschaut und den Blick, wie Orphan bemerkte, auf einer
altertümlich aussehenden Bibel ruhen lassen, die auf seinem Nachttisch lag.
»Hier.« Sie reichte ihm einen Zettel. Orphan entfaltete ihn und las eine
Adresse sowie eine Uhrzeit.
    Â»Alles Gute«, sagte Irene Adler und verschwand durch die Tür, die
sie leise hinter sich schloss.
    Orphan musste sich noch zwei Tage gedulden, bis ihn der Arzt aus dem
Krankenhaus entließ. Immer wieder tauchte er, von Leid und Kummer übermannt, in
die Dunkelheit ab. Nachts fuhr er schreiend aus dem Schlaf, weil ihm die
brennende Lucy im Traum erschienen war.
    Doch all sein Kummer wurde von Irene Adlers Frage überlagert. Würden Sie sie zurückholen? , hatte sie gefragt – und dieser
Satz mit seiner wahnwitzigen Verheißung hatte Orphan überwältigt, bis er kaum
noch an etwas anderes denken konnte.
    Er sah sich die Bibel, die auf seinem Nachttisch lag, genauer an. Es
war ein alter Band, im vorigen Jahrhundert gedruckt und mit einem
zeitgenössischen Einband versehen. So speckig und abgegriffen, wie er war,
hatte im Laufe der Jahrzehnte wahrscheinlich mehr als ein sterbender Patient
darin gelesen. Es handelte sich um eine King-James-Bibel, mit der Übersetzung,
die der größte aller Echsenkönige – aus Gründen, die nur er kannte – genehmigt
hatte. Erschienen war sie jedoch nicht in der Königlichen Druckerei, sondern
illegal. Fasziniert drehte Orphan das Buch in den Händen hin und her. Der Name
des Verlegers lautete Thomas Guy. Orphan erinnerte sich dunkel daran, dass der
Gründer des Hospitals in der Tat ursprünglich Verleger gewesen war, der illegal
Bibeln gedruckt und verkauft hatte. Diese hier musste eine von ihnen sein. Aber
warum war Irene Adler verstummt, als sie das Buch erblickt hatte? Was hatte es
an sich (falls es tatsächlich um das Buch ging), das sie am Weiterreden
gehindert hatte? Es war doch nur ein Buch.
    Allein mit seinen trüben Gedanken und von Unruhe erfüllt, machte
sich Orphan daran, Thomas Guys Bibel zu inspizieren. Zuerst schüttelte er das
Buch aus, ohne dass jedoch etwas herausfiel. Dann blätterte er es durch, um zu
sehen, wo es sich von selbst öffnete – denn das wäre, wie er wusste, die
Stelle, die am häufigsten aufgeschlagen worden war. Und genauso geschah es: Die
alte, in seinem Schoß liegende Bibel öffnete sich beim achten Kapitel des
Ersten Buches Samuel. Es handelte sich um den Teil der Geschichte, wo die
Ältesten Israels zu Samuel, inzwischen ein alter Mann, kommen und ihn bitten,
einen König über sie zu setzen. Während Orphan Samuels Erwiderung las,
beschlich ihn ein seltsames Angstgefühl, als spräche der alte, anonyme
Schreiber des Textes zu ihm und beantwortete eine ungeklärte Frage.
    Und er sagte, Dies wird sein die Art des Königs, der über
euch herrschen soll: Eure Söhne wird er nehmen und in seine Dienste zwingen,
für seine Streitwagen und als seine Reiter; und einige werden vor seinen
Streitwagen herlaufen. Und er wird sie zu Hauptleuten über Tausend und zu
Hauptleuten über Fünfzig machen; und wird sie zwingen, seine Äcker zu pflügen
und seine Ernte einzubringen und ihm Kriegsgerät zu fertigen.
    Und eure Töchter wird er nehmen, auf dass sie für ihn kochen
und backen und ihm Naschwerk bereiten.
    Und er wird nehmen eure besten Felder und Weinberge und
Olivenhaine, um sie seinen Dienern zu geben.
    Und er wird nehmen den Zehnten von euren Saaten und euren
Weinbergen, um sie seinen Höflingen und Dienern zu geben.
    Und er wird nehmen eure Knechte und Mägde und eure tüchtigsten
jungen Männer und eure Esel, um sie für sich arbeiten zu lassen.
    Er wird nehmen den Zehnten eurer Schafe: Und ihr sollt seine
Diener sein.
    Und ihr sollt seine Diener sein .
Irgendetwas kristallisierte sich in Orphans Kopf heraus. Allmählich begriff er,
dass in der labyrinthischen Vielfalt von Texten eine Botschaft verborgen war,
eine Deutung der Vergangenheit, die ihn wie ein Faden zu leiten trachtete, um
die schmutzigen Straßen der Geschichte zu durchwandern. Erstaunt fragte er
sich, warum König James und all seine Nachfolger gestattet hatten, dass solche
Passagen gedruckt wurden. Und dann bemerkte er unten links auf der Seite eine
Eintragung mit Bleistift – so schwach, dass er sie

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