Bookman - Das ewige Empire 1
groÃe Hähne miteinander. Angewidert folgte
Orphan Jack zum äuÃeren Rand der Menge. Anstelle von Sporen trugen die Hähne
kleine, dünne Klingen, die im Licht der Fackeln blitzten. Das aggressive
Gekreisch der kämpfenden Vögel hallte durch den Raum.
Jack umkreiste, gefolgt von Orphan, die Arena, bis er schlieÃlich in
einer dunklen Ecke haltmachte und sich gegen einen der hölzernen Stützpfosten
lehnte, die von der Erde bis zur Decke reichten. Er bedeutete Orphan mit einer
Handbewegung, es ihm nachzutun.
»Warum«, fragte Orphan, der fast schreien musste, um den Kampfeslärm
zu übertönen, »warum sind wir hier?«
Jack nickte. »Gute Frage«, entgegnete er. »Warum sind wir alle hier?
Wozu sind wir überhaupt auf dieser Welt?«
Er grinste Orphan an, was dieser jedoch nicht erwiderte.
Im Ring wurde der rot-schwarze Hahn gerade zum Sieger ausgerufen.
Orphan beobachtete, wie der Kadaver seines Gegners von einem untersetzten Mann,
der eine blutbefleckte Fleischerschürze trug, aufgehoben und zur anderen Seite
des Raumes getragen wurde, wo ein Becken mit glühenden Kohlen stand. Auf dem
Rost brutzelten Hühnerteile vor sich hin. Der Mann mit der Schürze legte den
toten Vogel auf einen Tisch neben dem Becken und machte sich daran, ihn zu
rupfen.
»Das sollte kein Scherz sein«, fuhr Jack fort und wandte sich Orphan
zu, um ihn durchdringend anzusehen. »Warum sind wir hier ⦠warum sind wir hier
⦠ich glaube, das ist eine Frage, auf die du eine Antwort finden musst.«
Der Schiedsrichter â ein groÃer schnurrbärtiger Mann mit bleicher,
fleckiger Haut, die seinen Kopf wie einen Pilz aussehen lieÃ, der noch nie
Sonnenlicht abbekommen hatte â kündigte den nächsten Kampf an. Zwei neue Hähne
wurden in den Ring geworfen, wo sie unverzüglich aufeinander losgingen.
»Hast du dich schon mal gefragt«, sagte Jack, der trotz des Lärms
leise sprach, sodass Orphan gezwungen war, sich zu ihm zu beugen, »warum der
Bookman eigentlich die Marssonde zerstört hat? Oder hast du etwa angenommen,
sein einziges Ziel habe darin bestanden, dir wehzutun? Dass er diesen
spektakulären Anschlag nur in Szene gesetzt hat, um dem Mädchen, das du geliebt
hast, wehzutun?«
Das Mädchen, das ich immer noch liebe, dachte Orphan, der Jack seine
Worte übel nahm. Er richtete sich auf und vermied es, Jack anzusehen. Er musste
sich eingestehen, dass er das in der Tat annahm, sich keinen anderen Grund
denken, keinen anderen Sinn in dem Anschlag erkennen konnte, der ihm Lucy
geraubt hatte. Er wandte sich von seinem Freund ab und lieà den Blick über die
Menge schweifen. Dieser Kopf da kam ihm vertraut vor. Wie aufs Stichwort drehte
sich der Mann in der Menge um, bis ihre Blicke sich trafen. Und obwohl der Mann
keinerlei Reaktion zeigte, erkannte Orphan ihn sofort wieder: Es war Karl Marx.
Als sich Marx wieder dem Kampf widmete, bemerkte Orphan, dass die
Gestalt, die neben ihm stand und einen langen Mantel mit Kapuze trug, eine Frau
war. Und als sich der von der Kapuze verhüllte Kopf kurz darauf in seine
Richtung drehte, nahm er ohne allzu groÃe Ãberraschung das Gesicht von Isabella
Beeton wahr.
Das Parlament des Buchladens war also vollzählig versammelt.
Auch Mrs. Beeton tat so, als kennte sie ihn nicht, drehte sich
wieder zurück und wurde unmittelbar danach von der Menge verschluckt, als wäre
sie nie da gewesen.
»Was machen die denn hier?«
»Dasselbe wie wir«, erwiderte Jack. »Sie beobachten.«
»Den Hahnenkampf?«
Jack wich noch weiter ins Dunkel zurück. Dann hob er den Arm und
zeigte mit dem Finger nach oben. »Die da.«
Orphan blickte hoch.
Obwohl der Raum ziemlich niedrig war, hatte man aus Holzbrettern
eine Tribüne errichtet, die von einer schmalen Balustrade umgeben war. Dort
standen drei Gestalten: eine davon ein Mensch, die anderen zwei jedoch
aristokratischer Herkunft.
Es waren Echsen.
10
Die Frau in WeiÃ
Sie wandte ihr Gesicht von mir ab, das noch bleicher
wurde als zuvor.
»Sprich nicht von morgen«, sagte sie.
»Lass heute Nacht die Musik zu uns sprechen,
in einer Sprache, die froher ist als die
unsere.«
Wilkie Collins, Die Frau in WeiÃ
Gerade wurden ein verwundeter und ein toter Hahn aus dem
Ring fortgeschafft. Spannungsgeladenes, erwartungsvolles Schweigen senkte sich
auf die Menge herab.
Erneut erschien der Schiedsrichter.
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