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Bookman - Das ewige Empire 1

Bookman - Das ewige Empire 1

Titel: Bookman - Das ewige Empire 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lavie Tidhar
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schoss vor, schlug mit dem Schwanz nach seinem
aufgerichteten Gegner und rammte ihm das Messer ins Fleisch. Der Rote König
ließ sich fallen, verbiss sich in Goliaths Hals und bohrte ihm die Klauen in den
Körper. Beißend und ineinander verkrallt rollten die beiden Echsen über den
Boden. Der Schwanz des Roten Königs traf Goliath und fügte ihm eine Wunde zu.
    Â»Sieh genau hin«, flüsterte Jack, der wild zwischen Publikum, Arena
und Tribüne hin und her blickte. Seine Pupillen schwammen in seinen Augen wie
Monde an einem trüben Himmel.
    Orphan musterte die Zuschauer, die reglos wie Statuen dastanden und
keinen Laut von sich gaben. Er suchte nach Marx, den er im hinteren Teil des
Raums entdeckte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass alle Kapuzen trugen. Da war
etwas an diesem Publikum, das … und dann begriff er.
    Es waren nicht nur Menschen.
    Nach und nach entdeckte er sie, indem er Jacks Blick und seinem
eigenen Instinkt folgte – die Echsen, die sich unter die Menge gemischt hatten.
Hier und da nahm er flüchtig einen Schwanz oder eine längliche Schnauze wahr.
Les Lézards.
    Calibans Nachkommen befanden sich in der King’s Arms Tavern.
    Die beiden kämpfenden Echsen im Ring lösten sich voneinander und
wichen zischend zurück. Beide hatten tiefe Wunden davongetragen und
hinterließen blutige Fußspuren auf dem Boden.
    Goliath plusterte seinen Hals auf. Zischend erhob sich der Rote
König abermals auf die Hinterbeine. Goliath folgte seinem Beispiel, sodass die
zwei Echseriche einander gegenüberstanden. Das ist ja grotesk, dachte Orphan.
Als hätten zwei Prinzen ihre prachtvolle Kleidung und ihren Titel abgelegt, die
Hülle der Zivilisation abgestreift. Dies hier waren zwei Wilde, die zur
Unterhaltung ihrer Brüder und ihrer vormaligen Diener miteinander kämpften.
    Wollte Jack, dass ich das sehe?, überlegte
er. Um seinen Hass auf die Echsen zu rechtfertigen, weil sie so etwas erlauben
und auch noch Vergnügen daran finden? Aber andererseits waren auch Menschen
hier, denen man gestattete, diesem perversen Schauspiel beizuwohnen und es zu
genießen. Offenbar spielte Jack ein gefährliches Spiel. Bisher hatte Orphan ihn
lediglich für einen Stammtischrevoluzzer gehalten, der von intellektuellen
Freunden umgeben war, ein harmloses Tesla-Gerät und eine illegale Druckerpresse
besaß, doch da hatte er sich getäuscht. Jack war etwas ganz anderes, war viel
gefährlicher und unberechenbarer, als Orphan vermutet hatte. Ihm wurde klar,
dass er seinen Freund nie richtig gekannt hatte.
    Jack sah ihn an und lächelte; dieses Lächeln schien auszudrücken,
dass er wusste, was Orphan durch den Kopf ging, und froh darüber war, weil
Orphan sich jetzt nicht länger hinter Worten oder kindischen Streichen
verstecken konnte, wie die Leute aus Porlock sie verübt hatten, weil er jetzt
würde Partei ergreifen müssen. Warum sind wir hier … ich
glaube, das ist eine Frage, auf die du eine Antwort finden musst, hatte
Jack gesagt. Orphan wandte sich ab, weil er den Blick seines Freundes nicht
ertrug.
    Im Ring holte der Rote König gerade mit seinem Schwanz aus und traf
Goliath damit am Bein. Die aufblitzende Klinge schnitt ihm tief ins Fleisch.
Mit einem Schmerzensschrei ging der Echserich zu Boden. Sofort war der Rote
König über ihm, um nach der Kehle seines Gegners zu schnappen und ihn mit den
Klauen zu bearbeiten, die Goliath wie Messer den Leib aufrissen. Immer wieder
biss der Rote König zu, bis Goliaths Bewegungen sich verlangsamten und
schließlich ganz erstarben, als wäre er eine alte Uhr, deren Werk abläuft und
nach einer Weile gänzlich stillsteht. Ein letztes Zucken ging durch Goliaths
Körper, dann rührte er sich nicht mehr.
    Um den Ring herum brach ein Tumult los. Überall im Raum wurden neue
Fackeln entzündet, in deren Licht Orphan Karl Marx erkennen konnte. Sein
Gesicht war verzerrt – ob vor Wut oder vor Verzückung, ließ sich schwer
feststellen –, während zwischen ihm und einem Mann Geld hin und her ging. Auch
Isabella Beeton erblickte Orphan, die sich gerade einem großen, würdevoll
wirkenden Echserich zuwandte, unter dessen schwarzem Umhang eine Marineuniform
hervorlugte. Er sah, wie die Echsen auf der Tribüne sich zurückzogen (der fette
Mann war bereits verschwunden), sah Jacks verkrampftes Lächeln – vor allem aber
sah er den toten, übel

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