Bookman - Das ewige Empire 1
gebaut haben,
verstehst du? Deshalb wollen sieâs unbedingt rausfinden.«
»Was denn?«
Orphan hatte mittlerweile völlig die Orientierung verloren. Die
Korridore schienen kein Ende nehmen zu wollen. Ihn beschlich der Verdacht, dass
sie ständig im Kreis gingen.
Jo Jo blieb stehen, drehte sich um und tippte sich mit einem seiner
behaarten Finger an den Kopf. »Wie die Dinger funktionieren. Ob sie denken
können. Denn wenn sie das können, Kumpel â wie ist das ohne die Maschinen vom
alten Charlie möglich? Wir sind da.«
Sie hatten in der Mitte eines Korridors haltgemacht, der aussah wie
all die anderen. Jo Jo fuhr mit der Hand über die Wand und drückte auf etwas,
das dort verborgen war. Ein Teil der Wand glitt lautlos zurück und gab den
Blick auf einen kleinen, dunklen Raum frei.
Mit einer Handbewegung forderte Jo Jo Orphan auf einzutreten. Als er
Orphans verwirrten Gesichtsausdruck bemerkte, sah er ihn treuherzig mit seinen
groÃen Augen an. »Wenn du mich brauchst â dann bell.« Er lachte. »Keine Bange,
Kumpel. Man erwartet dich.«
Orphan spähte in das dunkle Zimmer. Ob das eine Falle war? Nicht
auszuschlieÃen. Aber selbst wenn â hatte er nicht genau das gewollt? Vielleicht
war der Bookman da drinnen, um sich endlich zu erkennen zu geben. Oder vielleicht â¦
Er holte tief Luft. Tom hatte gesagt, er könne Jo Jo vertrauen, und
er wiederum vertraute Tom.
Also â¦
Er trat in das dunkle Zimmer, und die Tür ging geräuschlos hinter
ihm zu.
14
Der Mechanische Türke
Wir sollten nicht sagen, dass jede Maschine
oder jedes Tier nach
dem Tod gänzlich zugrunde geht oder eine
andere Gestalt annimmt, denn darüber wissen wir absolut nichts. Andererseits zu
behaupten,
eine unsterbliche Maschine sei eine Schimäre
oder ein logischer Widerspruch, ist ein ebenso absurder Schluss, als würden
Raupen angesichts der abgeworfenen Hüllen ihrer Artgenossen
das traurige Schicksal ihrer Spezies beklagen, weil es ihnen so scheint,
als hätte diese einen Endpunkt erreicht.
Julian Offray de La Mettrie, Der Mensch
â eine Maschine
Im Zimmer war es dunkel und warm, und es roch â auf nicht
unangenehme Weise â irgendwie trocken und staubig, fast wie aus einem lange
verschlossenen Schrank voller alter, schwach nach Lavendel duftender
Kleidungsstücke. Orphan blieb reglos stehen, damit seine Augen sich an die
Dunkelheit gewöhnen konnten. AuÃer seinen eigenen Atemzügen war nicht das
geringste Geräusch zu hören.
Behutsam machte er einen Schritt vorwärts.
»Spiel mit mir«, ertönte eine Stimme, die so kratzig und knisternd
klang, als käme sie von einer alten Edison-Platte.
Ohne etwas zu erwidern, machte Orphan einen weiteren Schritt.
Plötzlich flackerte vor ihm Licht auf, das von mehreren kleinen
elektrischen Glühbirnen ausging, die im Halbkreis auf einem Holztisch
angebracht waren, in dessen Mitte sich ein Schachbrett befand. Auf der anderen
Seite des Tisches saà eine Gestalt.
Es war der Türke.
Die Maschine sah einem Menschen verblüffend ähnlich. Nur die obere
Hälfte des Körpers war sichtbar, und Orphan konnte sich nicht des unbehaglichen
Gefühls erwehren, dass das der ganze Türke war, dass er, hätte er hinter den
Tisch geblickt â nichts gesehen hätte. Das Gesicht des Türken war
elfenbeinfarben und so starr wie das einer Statue. Seine Oberlippe zierte ein
dünner Schnurrbart, der zu beiden Seiten herabhing. Auf seinem Kopf thronte ein
Turban, der Oberkörper war in einen dicken, alten, mottenzerfressenen
Pelzmantel gehüllt. Die Hände des Türken â mit langen, schlanken Fingern â
ruhten auf dem Tisch. In der einen Hand hielt er eine langstielige Pfeife, die
jedoch sogleich in einer Schublade des Tisches verschwand.
Dem Türken gegenüber stand ein leerer Stuhl.
»Bitte setz dich«, fuhr die Stimme fort und gab ein kurzes,
mechanisches Kichern von sich. »Ich warte schon seit einiger Zeit auf dich.«
Die Stimme schien aus dem Bauch des Türken zu kommen, dessen Mund
völlig unbewegt blieb.
»Bitte setz dich.«
Orphan nahm auf dem hochlehnigen Stuhl Platz, dessen frühere Pracht
längst dahin war. Die Farbe blätterte ab, die Polsterung war zerschlissen.
Nachdem er sich niedergelassen hatte, befand er sich mit dem Türken auf
Augenhöhe. Die Schachfiguren waren bereits aufgestellt. Er hatte
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