Bookman - Das ewige Empire 1
menschlicher Diener begleitet â und bezahlten den
Eintrittspreis.
Er hatte immer noch den Geschmack des Senfs im Mund, mit dem sein
Würstchen bestrichen gewesen war. Eigentlich kein schlechter Geschmack, aber
von unangenehmer Penetranz. Ganz wie die Egyptian Hall, dachte er, die ungeachtet
ihres pseudoantiken Prunks wie eine in die Lumpen eines vormals schönen Kleids
gehüllte Puppe wirkte.
Am Eingang zeigte er dem Türsteher den Brief, den er von Maskelyne
erhalten hatte, und wurde ohne Weiteres eingelassen.
Orphan kam in eine weitläufige, hohe Halle, in der
Sehenswürdigkeiten präsentiert wurden â eine bunte Mischung aus Seltsamem und
Alltäglichem, Kuriosem und Banalem.
In der Mitte des Raums befand sich ein rundes Gehege, in dem diverse
Tiere zur Schau gestellt wurden, deren Namen man groÃen, am Zaun befestigten
Schildern entnehmen konnte: Da waren eine Giraffe aus Zululand und ein Elefant
aus Jaunpur; ein Tanzbär aus den Wäldern Transsilvaniens und ein Zebra aus den
Königreichen der Suaheli; ein Pfau aus Abessinien sowie â in einem eigenen
Käfig â ein schläfriger Tiger aus Bengalen. Die Tiere wirkten allesamt
lethargisch, fast als hätte man sie unter Drogen gesetzt. Der Tiger öffnete
eines seiner Augen, als Orphan vorüberkam, sah ihn kurz an und schloss das Auge
wieder, als hätte ihn schon diese Bewegung völlig erschöpft. Der Tanzbär tanzte
nicht, sondern kauerte wie ein alter Angler auf dem Boden, während der Pfau
sich weigerte, ein Rad zu schlagen, obwohl die Besucher sich bemühten, ihn
durch Gejohle und wildes Herumgestikulieren anzufeuern.
Die anderen Teile der Halle waren den menschlichen Kuriositäten
vorbehalten. In einer Nische, die von einer Gaslampe beleuchtet wurde, saà der
menschliche Wal, ein gigantischer, nur mit einem Lendentuch bekleideter Mann,
dessen Fettmassen jedes Mal, wenn er sich rührte, in wellenförmige Bewegung
gerieten. Er zog nicht wenige Zuschauer an, die nacheinander auf ihn zutraten
und ihn mit den Fingern anstupsten, um besser beobachten zu können, wie sein
Fett losschwappte und über den ganzen Körper wogte.
Dort, auf hohen Stühlen, deren Beine an die von Flamingos erinnerten
(das Tiergehege wartete auch mit einem dieser Vögel auf), saÃen die
Scarletti-Zwillinge, der eine kleiner als ein Kind und unglaublich fett, der
andere über eins achtzig groà und dünn wie ein Seil. »Die Armen! Die sehen wie
eine kleiner runder Pilz aus, der unter einem groÃen dürren Baum wächst!«,
hörte Orphan eine Besucherin zu ihrem Mann sagen, der den Esprit seiner Frau
mit einem beifälligen Nicken quittierte.
Da war der Skelett-Gent, ein ausgemergelter, kränklich wirkender
Mann im Smoking (daher die Bezeichnung »Gent«), und neben ihm gab es den
Durchsichtigen Mann, dessen Haut so hell und dünn war, dass man beobachten
konnte, wie sein Blut in den Adern und Venen zirkulierte. Auch den Pilzmenschen
gab es zu besichtigen, auf dessen Körper zahllose Auswüchse, Beulen und
Furunkel sprossen (die man gegen ein geringes Entgelt zum Platzen bringen
durfte).
Wie benommen ging Orphan durch diese Galerie unglückseliger
Lebewesen. Wo auch immer er hinblickte, überall saà oder stand beziehungsweise
schwamm (nämlich die Meerjungfrau, die in einem groÃen Wasserbehälter lag und
deren Unterleib wie ein Fischschwanz gestaltet war) irgendeine bedauernswerte
Kreatur, deren Abnormität dem zahlenden Publikum zur Belustigung und Belehrung
diente. So ging es ohne Ende weiter. In einem Nebenraum waren ein Mann ohne
Beine und ein Mann ohne Arme zu bewundern, die gemeinsam Fahrrad fuhren. An
anderer Stelle gab es eine bärtige Dame zu sehen, die zusammen mit einer Frau
mit drei Brüsten (die vor allem von Männern bestaunt wurde) eine selbstgedrehte
Zigarette rauchte und eine Tasse Tee trank (offenbar hatten die zwei gerade
Pause).
Wo war bloà Maskelyne?
Als er an einem Mann mit Ziegelsteinen auf dem Kopf vorbeikam â die
Ziegelsteine wurden von einem zweiten Mann mit einem Vorschlaghammer
zertrümmert â, sprang eine kleine Gestalt auf ihn zu und packte ihn beim Arm.
»Bist du Orphan?«, fragte der andere.
Nachdem sich Orphan von seiner Ãberraschung erholt hatte, nickte er.
»Du bist sicher Theo«, sagte er.
Der Mann war von kleiner Statur, trug eine kurze, weite Hose und
eine offene Weste, die seine haarige
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