Bookman - Das ewige Empire 1
während sie mit
beiden Vorderbeinen auf den Boden trommelte.
Der sich sogleich veränderte.
Wie Orphan feststellte, befand er sich auf einmal in einem Bild,
einem Bild der Insel, das auf mysteriöse Weise zustande gekommen war. Nein, es
war kein Bild, sondern eine Karte, in deren Mitte er stand. Unter seinen FüÃen
war der Tempel eingezeichnet.
»Ich bin der Binder«, verkündete die Spinne.
Orphan warf einen verstohlenen Blick auf Aramis und Wyvern, die
reglos dastanden, als wären sie zwei Statuen, die sich schon seit Jahrhunderten
in diesem verfallenen Tempel befanden. »Was binden Sie denn?«, fragte Orphan.
Die Spinne seufzte und fixierte ihn mit ihren fremdartigen Augen.
»Bücher«, antwortete sie. »Was bedeutet: Aufbewahrungsorte des Wissens. Jedes
lebendige, denkende Wesen ist eine Art Buch, Orphan. Ja, ich weiÃ, wie Sie sich
nennen. Ich kenne sogar Ihren Namen. Ich habe Sie erwartet.«
»Mein Name ist Orphan«, erwiderte er trotzig.
»Ein Buch, das seinen Titel noch nicht kennt â¦Â«, sagte der Binder.
»Um Ihre Frage zu beantworten: Ich bin, wie meine Gestalt nahelegen mag, ein
Netzweber. Die Welt besteht aus vielen Fäden. Was mich beschäftigt, ist, wie
diese Fäden aufeinander einwirken, sich gegenseitig beeinflussen. Zum Beispiel
Ihr Faden.«
»Wie?« Orphan trat einen Schritt zurück. Was hat der Binder mit mir
vor?, überlegte er.
»Mein Netz ist auf diese Insel beschränkt«, erklärte der Binder.
»Und meine Zeit ist fast abgelaufen. Wie der Bookman sollte auch ich nur ein
Werkzeug sein. Ein Speicher von Informationen, von vergessenen Wissenschaften,
für die sich nie jemand interessierte. In der Welt, aus der wir kamen â¦Â« Er
seufzte erneut, was sich angesichts seines Spinnenkörpers eigentümlich anhörte.
»Die Ãbertragung«, fuhr der Binder fort, »wird dieser Welt eines Tages Frieden
schenken. Die Ãbertragung von allem.« Er kam auf Orphan zu, der noch weiter
zurückwich. »Die Ãbertragung beginnt mit wenigen Worten«, sagte die Spinne, um
sogleich hinzuzufügen: »Haltet ihn fest!«
Ehe Orphan sichs versah, tauchten links und rechts von ihm Wyvern
und Aramis auf und packten ihn. Er versuchte, sich zur Wehr zu setzen,
vermochte sich jedoch nicht zu befreien. »Was soll denn das?«, schrie er.
»Das Schicksal ist wie ein Buch«, erläuterte der Binder. »Man muss
es herstellen. Der Papierbrei muss bearbeitet, der Leim dick aufgetragen werden
â und es muss gebunden werden, damit es nicht auseinanderfällt.«
Der Binder kam immer näher. Abermals setzte das Trommeln ein, in
einem Rhythmus, der mit den Bewegungen der acht Spinnenbeine übereinzustimmen
schien.
Seine Panik raubte Orphan die Stimme. Er versuchte, sich Aramis und
Wyvern zu entwinden, die ihn jedoch mit eisernem Griff festhielten. Er trat um
sich, doch jeder Tritt ging ins Leere.
Dann war die Spinne über ihm und drückte ihn mit ihren Metallbeinen
zu Boden.
»Das wird ein bisschen wehtun«, sagte der Binder. »Presst seine Hand
auf den Boden!«
Orphan spürte, wie seine Hand gepackt und die Handfläche auf den
Boden gedrückt wurde. Dann spreizte man ihm die Finger. Er versuchte, etwas zu
sagen, bekam jedoch immer noch keinen Ton heraus.
Wie eine Axt sauste eines der Metallbeine auf seine Hand nieder. Der
Schmerz war so unerträglich, dass ihm übel wurde. Undeutlich nahm er wahr, wie
die Spinne etwas vom Boden aufhob â seinen Daumen? Seinen Daumen! â und Wyvern
zuwarf. »Bring das nach unten in die Zuchtbottiche«, meinte er den Binder sagen
zu hören.
»Ob das funktioniert?«, fragte Aramis.
»Ich bin nicht der Bookman. Nachbildungen sind nicht mein Metier.«
Die Spinne kauerte über Orphan und sah ihn mit bohrendem Blick an. Sein
Mageninhalt kam ihm hoch, sodass er fast erstickt wäre. »Vielleicht
funktioniert es zumindest eine Zeit lang«, fügte die Spinne hinzu.
»Sollen wir den Ballon vorbereiten?«
»Ja. Er wird die Ãbertragung befördern.«
»Du willst ihn als Köder benutzen.«
»Genau. Und der andere muss seinen eigenen Weg gehen. Soll er
herausfinden, auf welchen Titel er Anspruch hat.«
»Das ist ein groÃes Risiko.«
»Schweig!« Die Spinne beugte sich über Orphan. Sie roch nach gar
nichts. Der Schmerz in Orphans Hand war so entsetzlich, dass er noch
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