Books & Braun: Das Zeichen des Phönix (German Edition)
wohl kaum verübeln.
In der Ferne schrillte die Pfeife eines Polizisten. Schon bald würde Scotland Yard das Hotel heimsuchen. Sie musste schleunigst aufbrechen.
Ihre Taschen warteten an der Tür. Sie setzte sich den schwarzen Hut auf und verknotete die Bänder unterm Kinn. Im Spiegel betrachtete sie den Tisch, an dem sie ihr köstliches Abendmahl genossen hatte. Sophia lief schon wieder das Wasser im Mund zusammen.
Was für eine Schande, dass sie das Hotel verlassen musste. Der Koch war ein wahrer Meister.
Kapitel 20
In welchem Eliza Braun mit Britanniens Oberschicht bekannt gemacht wird und es ihr die Sprache verschlägt
Eliza liebte Neuseeland aus tiefstem Herzen, und sie hoffte, dass ihre früheren Verfehlungen nach einigen Jahren des Exils vergeben oder vergessen sein würden, damit sie wieder dorthin zurückkehren konnte. Sie liebte die wilde Landschaft und die noch wildere Mischung unterschiedlichster Menschentypen – und doch gab es etwas, was ihrer geliebten Heimat fehlte.
Trotz ihrer ausgeprägten Überheblichkeit verstanden sich die Briten zweifellos darauf, schöne Gutshäuser zu bauen. Als sie in der eigens für dieses Wochenende gemieteten, feudalen Kutsche vorfuhren, musste Eliza stark an sich halten, um nicht den Hals zu recken und das Havelock’sche Herrenhaus allzu offenkundig anzustaunen. Es war ein schwerlich zu ignorierendes Bauwerk, das sich in all seiner barocken Pracht über den sanften Hügel erstreckte. Hunderte Fenster glänzten in der späten Nachmittagssonne, während die Kutsche durch die breite Allee rumpelte. Kuppeltürme krönten sowohl den West- als auch den Ostflügel und überblickten die umliegenden, kunstvoll angelegten Gärten mit ihren sauber geschnittenen Hecken. In Kindertagen hatte sie oft von solchen Anwesen gelesen, sich aber im Leben nicht träumen lassen, jemals eines mit eigenen Augen bewundern zu dürfen. Auf ihren vielen Reisen hatte sie schon einige Paläste gesehen, doch dieses Herrenhaus besaß eine ganz besondere, zeitlose Schönheit.
»Nun denn, Miss Braun«, drängte sich Wellington – dankenswerterweise – in ihre Gedanken. »Wir werden hier überaus vorsichtig zu Werke gehen müssen.«
Seufzend ließ Eliza sich in den schaukelnden Kutschensitz zurücksinken. »Sie verstehen es wirklich, einen zarten Augenblick zu zerstören, Welly.« Vielen Dank.
Mitunter konnte er ein Zusammenzucken nicht verhindern, wenn sie ihn mit diesem Spitznamen ansprach. Und das war natürlich genau der Grund, warum sie daran festhielt, ihn so zu nennen. Wenn er dann den Mund verzog, schien sein attraktives Gesicht einem anderen Mann zu gehören; vielleicht dem, der er unter anderen Umständen geworden wäre.
»Wir verschaffen uns gerade Zutritt zu einem Geheimbund mit möglicherweise stark ausgeprägten hedonistischen Zügen.«
Eliza schenkte ihm ein honigsüßes Lächeln. »Klingt nach Spaß.«
»Miss Braun«, blaffte er, »ich will damit sagen, dass Sie Ihr kolonistisches Gebaren ein wenig mäßigen sollten.« Sie musterte ihn mit hochgezogener Augenbraue, woraufhin er sich nervös räusperte. »Wenn wir als wohlhabendes Ehepaar glaubwürdig erscheinen wollen, werden Sie eine … « Er schluckte. Eliza zog jetzt auch die andere Braue hoch, ihre Miene jedoch drückte aufrichtige Neugier und Geduld aus. »… eine etwas unterwürfigere Art an den Tag legen müssen.«
»Welly«, erwiderte sie und legte eine gehörige Portion Verachtung in den Spitznamen, »wenn ich mich recht entsinne, habe ich bereits Erfahrung in solchen Dingen. Ich mache das jedenfalls nicht zum ersten Mal.« Im Gegensatz zu Ihnen .
Er öffnete den Mund, lehnte sich dann aber ohne ein Wort wieder zurück. Anscheinend hatte er sich eines Besseren besonnen.
Eliza unterzog ihn einer kritischen Musterung. Zwar trug er einen sehr adretten Anzug aus der Savile Row, aber bei diesen Aristokraten drehte sich immer alles um die kleinen Details. Sogleich kramte sie eine kleine Schachtel aus ihrer Reisetasche.
Wellington beäugte die Schatulle mit offenkundigem Argwohn, aber bevor er irgendwelche Einwände äußern konnte, hob Eliza abwehrend die Hand. »Obwohl Sie doch tatsächlich im Besitz eines Anzugs von Gieves & Co sind, Welly, fehlt Ihnen da noch eine Kleinigkeit.« Schon schnappte sie sich sein Handgelenk und entfernte mit flinken Fingern den ersten der recht langweiligen Manschettenknöpfe. Dann öffnete sie die Schachtel und präsentierte ein exquisites Paar aus Silber und Perlmutt. Kurzerhand
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