Books & Braun: Das Zeichen des Phönix (German Edition)
Fenster hinüber und entriegelte es. Dann griff sie unter den Fenstersims und holte eine kleine Dose hervor, die sie dort deponiert hatte. Sie betrachtete kurz den Zierrat des Deckels – ein Vogel, der aus lodernden Flammen aufstieg – und drehte die Figur viermal herum. Einen Augenblick lang sah sie aus dem Fenster, dann drehte sie den Vogel noch zwei weitere Male um seine Achse, bevor sie die Dose sachte auf den Simsabschnitt zwischen Scheibe und Fensterladen stellte. Ein leises, sanftes Lied erklang, während sich der Vogel langsam drehte. Sie schloss Fensterladen und Fenster und zog mit einem Ruck den schweren Vorhang zu, der die Melodie dämpfte, wofür Sophia äußerst dankbar war. Anfangs hatte sie die Musik aus solchen Spieldosen noch entzückend gefunden, aber nach der vierten Wiederholung war sie nur noch nervenzehrender Lärm von einem Messingkamm, der über eine Walze kratzte.
Als Nächstes hörte Sophia das Klopfen. Sie hätte gedacht, dass es nachdrücklicher ausfallen würde.
Mit raschelnden Röcken durchquerte sie das Appartement. Am Garderobenständer blieb sie stehen und nahm ihren Umhang vom Haken. Nach einem prüfenden Blick in den Spiegel, ob ihr Erscheinungsbild gesellschaftsfähig war, öffnete sie ihrem Kontaktmann die Tür. Ihrem früheren Kontaktmann, das wäre wohl die präzisere Bezeichnung. Sein Besuch kam unangemeldet, aber keineswegs unerwartet, insbesondere nach den Ereignissen des gestrigen Abends.
»Mademoiselle«, begrüßte er sie, und sein natürlicher Bariton klang so schön in ihren Ohren.
Ein Jammer nur, dass er Französisch sprach. Und er war sich vollauf darüber im Klaren, wie sehr sie diese Sprache verabscheute.
»Warum so förmlich, Alexander?«, tadelte sie, um ihre Missbilligung der von ihm gewählten Sprache zu kaschieren. Sie reckte den Hals und nahm die vier Männer hinter ihm in Augenschein, die allesamt aufmerksam lauschten.
Er musterte ihren Umhang. »Wollen Sie zu dieser späten Stunde noch ausgehen?«
»Ja«, erklärte sie. »Ich muss mich um einige geschäftliche Angelegenheiten kümmern.«
»Allerdings«, erwiderte er und trat näher an sie heran. Offenbar machte es ihm Spaß, sich dermaßen dreist zu benehmen. »Das müssen Sie wohl.«
Sophia nickte, wich einen Schritt zurück und deutete auf ihren Salon. »Dann kommen Sie und Ihre Begleiter doch bitte herein. Es ist nicht nötig, im Flur Aufsehen zu erregen.«
»Merci«, antwortete Alexander. Mit einem knappen Blick über die Schulter forderte er seine Begleiter auf, ihm in die Suite zu folgen. »Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Ihnen fürs Erste nicht mehr der Sinn danach steht, Aufsehen zu erregen.«
Sie lächelte. »Also haben Sie bereits davon gehört.«
»Unter unseren Kontaktleuten bei der Presse finden sich auch Opernkritiker.«
»Und so haben Sie mich gefunden? Mithilfe Ihres Kontaktnetzes?«
»Aber nein«, sagte er breit lächelnd. »Ich kenne doch Ihren Geschmack, was Unterkünfte betrifft. Erinnern Sie sich nicht?«
Doch, Sophia erinnerte sich. Und sie konnte sich auch noch sehr genau daran erinnern, wie er in eben diesem Salon versucht hatte, sich mit seinem Charme einen Weg in ihr Bett zu bahnen, während er sie gleichzeitig über die Reisezeiten seines privaten Luftschiffes in Kenntnis setzte. Dieser klägliche Versuch, ihre Geschäftsbeziehung mit seinem Privatvergnügen zu verbinden, hatte sie wirklich amüsiert.
»Wie nachlässig von mir, das zu vergessen.« In ihrer Antwort schwang dezente Belustigung mit.
Es klang wie ein Peitschenknall, als die Tür ins Schloss fiel. Alexanders Begleiter wandten sich dem Raum zu und starrten Sophia mit eiskaltem Blick an. Im Licht ihrer Wohnung konnte sie die Männer besser erkennen, was sie allerdings sofort bedauerte. Die zwei, die ihn flankierten, sahen aus, als kämen sie direkt aus dem Boxring. Augenscheinlich hatten sie verloren.
»Ich kann ein wenig Zeit für Sie erübrigen, Alexander«, erklärte sie und schlug ihren Umhang zurück, »aber nicht allzu lang, dann muss ich aufbrechen. Was führt Sie und Ihre Begleiter heute Abend zu mir?«
»Der Lord des Hauses schickt mich.« Er sprach eine Spur lauter als auf dem Flur.
Sophia verdrehte die Augen. »Der Lord des Hauses? Ich kann beim besten Willen nicht verstehen, warum Sie es immer noch für nötig halten, diesem pezzo di merda zu dienen.«
Alexanders warnender Blick über die Schulter ließ seine vier Kumpane reglos verharren. Dann widmete er seine Aufmerksamkeit den
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