Books & Braun: Das Zeichen des Phönix (German Edition)
zischte Wellington mit zusammengebissenen Zähnen. Er warf einen nervösen Blick auf den Phonographen und sprach dann weiter: »Ich führe Ihnen lediglich meinen persönlichen Standpunkt vor Augen, ehe wir weitermachen.«
Eliza öffnete ein paarmal den Mund, dann setzte sie sich aufs Bett. Sie lächelte streng. »Meine Güte, Wellington, wann fangen Sie endlich an, sich wie mein Partner zu benehmen, und nicht wie jemand, den ich in dieses Abenteuer hineingezogen habe?«
Er zupfte an seinem Jackett herum und bedachte seine nächsten Worte sehr sorgfältig. »Miss Braun, darf ich darauf hinweisen, dass ich Sie in diesem ganzen verrückten Schlamassel jederzeit hätte aufhalten können? Ich hätte einfach gehen können. Oder Dr. Sound über Ihr Tun in Kenntnis setzen. Meines Erachtens sollte der Umstand, dass ich hier bin und keine dieser Möglichkeiten gewählt habe, etwas zählen.«
Sie faltete die Hände im Schoß und nickte ernst. Ausnahmsweise zeigte ihre Miene keinerlei Anzeichen von Sarkasmus. »Da haben Sie allerdings recht, Wellington, und ich hätte das schon viel früher sehen sollen. Es tut mir leid.«
Ihre Aufrichtigkeit war für ihn zutiefst verwirrend, doch dann belehrte ihr Kichern ihn eines Besseren. »Abgesehen davon ist die Tatsache, dass Sie das Reden übernommen haben und wir noch nicht aufgeflogen sind, quasi ein Wink des Schicksals. Daher sage ich, wir müssen einander vertrauen, uns aufeinander verlassen und zusammenarbeiten, denn sonst …«
»Werden wir sterben«, beendete er ihren Satz. Sie hielten inne und taxierten einander wie zwei kämpferische Katzen.
Doch schon bald breitete sich ein bedächtiges Lächeln auf Elizas Lippen aus.
»Dann sollte ich mich jetzt wohl besser umziehen«, murmelte sie. »Bestimmt werde ich schon vermisst.« Mit diesen Worten schlüpfte sie nahezu unterwürfig hinter den Wandschirm.
Für einen Moment erschienen ihm Gilbert und Sullivan regelrecht ohrenbetäubend, und eine grausige Vorahnung ließ Wellingtons Haut kribbeln. Er konnte und sollte das nicht zulassen. Als sie hinter dem Paravent hervortrat, war er von ihrem Aussehen hingerissen. Selbst ein schlichter Morgenmantel aus rotem Satin sah an ihr umwerfend aus. Instinktiv spürte Wellington, dass er sie aufhalten musste, aber ein Blick in ihr entschlossenes Gesicht, als sie zur Tür schritt, überzeugte ihn, lieber zu schweigen.
»Ich vertraue Ihnen.« Wellington setzte sich auf die Bettkante, wo Eliza eben noch gesessen hatte, doch sobald ihre Hand den Türgriff berührte, sprang er wieder auf. Er ging zum Phonographen hinüber und brachte das heitere Musical zum Schweigen. »Ich wünsche dir viel Freude, Hyacinth. Aber vergiss nicht, dass du meinen Familiennamen trägst.«
Seien Sie bloß vorsichtig, formte Wellington mit den Lippen. Bitte.
Eliza legte einen Finger auf die Lippen und zwinkerte ihm zu. Sie antwortete ihm ebenso lautlos: Warten Sie nicht auf mich, dann war sie weg.
Wellington, nun allein in der drückenden Stille des Raumes, zog die Schuhe aus und setzte sich aufs Bett. Dort lehnte er sich zurück und betrachtete das verworrene Muster der Decke, versuchte, sich darin zu verlieren. Es war sehr hübsch anzusehen. Das Herrenhaus war liebevoll eingerichtet, mit einem feinen Gespür für Ästhetik und Details. Vielleicht ebenso liebevoll und sorgfältig wie das Haus seiner Kindheit, jenes prächtige Anwesen, das seine Mutter gestaltet hatte. Einen Moment lang konnte er sie Schubert spielen hören und ihr Lavendelparfüm riechen. Seltsam, dass ihn die Kindheitserinnerungen ausgerechnet jetzt verfolgten, wo sich seine Partnerin in derart große körperliche und moralische Gefahr begab.
Doch er wusste, warum. Seine Mutter war wie Eliza gewesen – mutig, schön und ungestüm. Aber all das hatte sie auch nicht gerettet. Sie war bei der Jagd ums Leben gekommen, als ihr Pferd den Sprung verweigert und sie abgeworfen hatte. Sie hatte einfach nicht wahrhaben wollen, dass sie unmöglich über diese letzte Hecke springen konnte – so lautete zumindest die Geschichte. Wellington war erst zehn Jahre alt gewesen, und mit ihrem Dahinscheiden erstarb auch jegliche Freude in dem Haus.
Ihr hätte Eliza gefallen. Sie hätten sich bestimmt gut verstanden. Sein Vater – das stand auf einem anderen Blatt. Er hätte wahrscheinlich die Hunde auf die starrköpfige Kolonistin gehetzt.
Wellington seufzte, rollte sich auf die Seite und schlug ein paarmal auf das Kissen ein. Hier war es in der Tat ganz
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