Books & Braun: Das Zeichen des Phönix (German Edition)
Zwei Bedienstete waren von ihren Spiegeln an der Wand herbeigeeilt und zogen eilfertig seinen Stuhl vom Tisch zurück. Bevor Havelock aufstand, räumte einer der Diener das Gedeck ab, während der andere wartend neben dem Stuhl stehen blieb. Der Doktor entließ den zweiten Diener mit einer abschätzigen Geste, als der erste gerade in der Küche verschwand.
Nach einigen Minuten Stille, nachdem er jeden Anwesenden einzeln auf sich hatte wirken lassen, erfüllte seine Stimme den Saal. Ohne dass er sie hätte heben müssen. Die gute Akustik am Ende der Tafel sorgte schon dafür, dass seine allgewaltige Präsenz niemandem verborgen blieb. »Meine Brüder, verehrte Initianden und ihr, die ihr uns dient und bedient – willkommen zur ersten Nacht.«
Wellington hörte, wie Eliza neben ihm einmal tief durchatmete. Ihr, die ihr uns dient und bedient. Miss Braun war noch emanzipierter als die zänkischste Suffragette. Folglich löste diese Bemerkung bei ihr zweifelsohne größtes Missfallen aus.
»In freudiger Erwartung sehe ich der Vorstellung jener entgegen, die den Wunsch verspüren, sich unseren hehren Reihen anzuschließen. Wenngleich wir einander gewiss kennenlernen werden, muss ich Sie doch daran zu erinnern, dass es an diesem Wochenende um mehr geht als um den Genuss guter Gesellschaft, schönen Sports und gepflegten Amüsements. An diesem Wochenende werden wir die Gründe Ihres Hierseins aufmerksam prüfen, denn die Einladung, sich uns anzuschließen, darf weder leichtfertig erteilt noch blind angenommen werden. Wir sind kein gewöhnlicher Herrenclub, in dem man lediglich Brandy schlürft, Zigarren raucht und sich über den Zustand des Empires beklagt. Wir sind eine elitäre Bruderschaft und haben uns jenen Grundsätzen geweiht, die seit einiger Zeit immer mehr in Vergessenheit geraten. Und das können und sollten wir nicht dulden.« Er hielt einen Moment inne und blickte jedem Initianden in die Augen. Seine Miene, düster und hart, verströmte plötzlich eine angenehme Wärme, die es ohne Weiteres mit dem Kamin eines Pubs in der Downing Street aufnehmen konnte. »Was allerdings nicht heißt, dass wir unsere Zigarren, den Brandy oder ähnliche Annehmlichkeiten nicht ebenfalls genießen.«
Die männlichen Mitglieder lachten leise, während ihre Frauen wortlos vom Tisch aufstanden und den Raum verließen. Die Initianden sahen zuerst einander an und dann Dr. Havelock, der ihre unausgesprochenen Fragen schlichtweg mit einem Kopfschütteln beantwortete.
»Wir werden einander kennenlernen. Wir werden unsere letzten Entscheidungen treffen. Und wir werden uns außerdem amüsieren und uns darauf besinnen, was uns zu Mitgliedern der Gesellschaft des Phönix macht. Seien Sie unbesorgt. Abschließend möchte ich die Herren noch einmal an die morgige Jagd erinnern. Meine Damen, sollten Sie Ihre Gatten zu begleiten wünschen, werden wir Ihrer Bitte selbstverständlich gern nachkommen – vorausgesetzt Sie haben Verständnis dafür, dass wir nicht wie andere glauben, die Jagd wäre ein schicklicher Sport für eine Dame. Soweit es die Bruderschaft betrifft, können die Leidensgenossinnen der Frauenbewegung getrost genau eines tun: leiden.«
Ein erneutes scharfes Luftholen zu seiner Linken, und Wellington wusste auch ohne sich umzudrehen, dass Eliza kurz davor war, aus der Haut zu fahren.
»So«, fuhr Havelock fort, und seine Züge hellten sich auf, als er mit einem Löffel dreimal sachte gegen seinen Weinkelch klopfte, »nachdem das Dinner nun offiziell beendet ist, möchte ich die Damen gern zu einer zwanglosen Geselligkeit mit den Ehefrauen und Gefährtinnen der Bruderschaft einladen. Rein zum Vergnügen.«
Noch während er sprach, verteilten sich die Diener entlang der Wand hinter Wellington und Eliza. Sobald Havelock mit seiner Ansprache fertig war, drehten sie an kunstvoll verzierten Rädern, die dort installiert waren. Dank der Ranken- und Blattmuster an den Wänden fügten sich diese Druckentlastungsventile wunderbar in die Inneneinrichtung des Speisesaals. Zu dem schwachen Zischen der Ventile gesellte sich ein leises Rumpeln, als die Wand in der Mitte auseinanderdriftete und die obere Hälfte wie ein gewaltiger Gipsvorhang emporglitt. Diese beiden Geräusche wurden alsbald von Stöhnen, Ächzen und Keuchen begleitet, bis die Hydraulik der Wand schließlich verstummte.
Das Stöhnen, Ächzen und Keuchen dauerte jedoch an.
Viele der Frauen trugen noch ihre Korsetts und gerüschten Pumphosen, aber einige waren bereits
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