Books & Braun: Das Zeichen des Phönix (German Edition)
verdeckte dabei die flackernde Gaslampe, sodass ihr Gesicht im Schatten lag. »Ich werde Ihnen sagen, wer ich bin: Ich bin die andere Henne im Fuchsbau. Mit anderen Worten, ich bin die einzige Person, der Sie vertrauen können.«
»Molly«, antwortete sie mit erstickter Stimme, »ich bin Journalistin bei der Tribune.« Sie blinzelte, und dann wurde ihr jämmerliches Getue noch einfältiger. »Nun ja, eigentlich eher Korrektorin; aber sobald mir jemand eine Chance gibt …«
Eliza legte den Kopf in den Nacken und schnaubte: »Na, großartig – genau das, was dieses Wochenende braucht – Amateure!« Sie blickte über die Schulter zur Tür hinüber, überzeugte sich davon, dass sie geschlossen war, und wandte sich mit strenger Miene wieder an Molly. »Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihr ›Ehemann‹ derjenige ist, der Sie hierzu verleitet hat?«
»Fred, ja. Fred Abbott.«
Nein, bitte nicht! »Fred Abbott, der Kolumnist der Tribune, der sich ständig darin ergeht, scharfe Kritiken über Industriebarone, Bankiers und die anderen elitären Kreise des britischen Weltreiches zu verfassen?«
»Ja«, und Molly kicherte auch noch. »Einer der Vorteile des Journalistendaseins ist ein gewisses Maß an Anonymität. Die Menschen kennen zwar die Publikationen, aber sie würden den Verfasser selbst dann nicht erkennen, wenn sie direkt neben ihm stünden. Fred ist mein Mentor bei der Tribune.«
»Sie Glückspilz«, spottete Eliza.
»Fred und ich haben gehört, dass es hier ziemlich wüst zugehen soll. Dann ist es uns gelungen, die echten Fairbanks zu bestechen, und … «
»Meine liebe Molly, es interessiert mich herzlich wenig, wie Sie sich Zutritt verschafft haben. Ich muss wissen, was Sie getan haben, seit Sie hier sind.« Eliza atmete einmal tief durch. »Beispielsweise warum Sie sich schluchzend auf Ihr Zimmer zurückgezogen haben, während Ihr Journalistenkollege dem Dessert tüchtig zuzusprechen scheint.«
»Aber Sie sind doch auch früher gegangen«, murmelte Molly trotzig, was Eliza vor Augen führte, dass sie nicht älter als zwanzig sein konnte. Sie klang wie ein verzogenes Kind, das beim Austausch von Zärtlichkeiten mit dem Stalljungen ertappt worden war.
»Im Unterschied zu Ihnen habe ich allerdings dafür gesorgt, dass sie meine Beteiligung nicht vergessen werden – bevor sie anfingen, sich ihren hirnlosen Exzessen hinzugeben.« Eliza seufzte. »Ich denke, Sie und Ihr potenter Partner sollten unverzüglich von hier verschwinden. Dieses Spiel ist viel gefährlicher, als Sie ahnen.«
Molly schluckte erneut und versuchte, sich den Anschein von Professionalität zu geben. »Die feiern doch nur eine kleine Orgie, sie haben einfach …«
Eliza funkelte die Frau an. »Es ist viel mehr als das. Diese Leute sind für mindestens zwanzig Morde verantwortlich. Meinen Sie, eine Geheimgesellschaft, die sich nicht den Teufel um das Leben von Frauen und Kindern schert, würde davor haltmachen, zwei Journalisten aus dem Weg zu räumen?«
Eine Weile starrten sie einander schweigend an, dann fragte Eliza: »Glauben Sie mir?«
Ihr Tonfall war streng, fast wie der, den Harry im Einsatz oft angewendet hatte. Und es schien zu funktionieren, denn Molly nickte kleinlaut, und das Beben ihrer Stimme war nicht zu überhören. »J-ja.«
»Gut. Und jetzt sagen Sie mir bitte, dass Sie mit Ihrem Partner seit Ihrer Ankunft nicht über Ihre wahren Absichten gesprochen haben.«
Molly errötete, und Elizas Zuversicht sank.
»Lassen Sie mich raten. Gleich nach Ihrer Ankunft kamen Sie hier in Ihr Zimmer, sind auf dem Bett herumgehüpft und haben gerufen: ›Ja, juhu, wir haben uns in einen Geheimbund eingeschlichen!‹«
Erneut keine Antwort von Molly, aber das war auch gar nicht nötig.
»Tja«, Eliza zeigte auf den fröhlich vor sich hin dudelnden Phonographen, »zu Ihrem Pech enthält dieser Apparat ein Lauschgerät. Sie sollten also wirklich lieber von hier verschwinden. Vergessen Sie Ihre Habseligkeiten. Suchen Sie Ihren Partner und hauen Sie ab. Sofort!«
Die Journalistin wischte sich die Tränen aus den Augen und nickte. »Ja, ja, das ist wohl das Beste.«
Eliza verspürte einen Anflug von Mitgefühl. Als sie selbst noch so jung gewesen war, hatte sie auch jemand unter seine Fittiche genommen. Unwillkürlich umarmte sie die jüngere Frau. »Alles wird gut, Molly. Verschwinden Sie einfach noch heute Nacht, und blicken Sie nicht zurück.«
Das arme Ding war nicht imstande, eine Fassade aufrechtzuerhalten; sie fing erneut
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