Books & Braun: Das Zeichen des Phönix (German Edition)
entmannt gefühlt, Welly hingegen war gern bereit, sich von Dingen fernzuhalten, von denen er nichts verstand.
Sobald Eliza ihre Waffen geprüft hatte, drehte sie sich zu ihm um. »Was wir hier haben, sind zwei 92er Sharps’. Mit diesem Jagdgewehr wird nächstes Jahr jeder Gentleman schießen, der was auf sich hält – das dürfte Eindruck schinden. Allerdings sind das nicht unsere einzigen Waffen.« Kurzerhand drehte sie ihm den Rücken zu und lüpfte ihre lange Tweedjacke, um ihm die Revolver mit den Pounamu-Griffen zu zeigen. Die Jagdbekleidung bot glücklicherweise erheblich mehr Möglichkeiten, sie zu verbergen, als so ein elendes Abendkleid. Sie schmiegten sich unauffällig in ihr Kreuz, und solange Devane die Hände bei sich behielt, gab es keinen Grund, warum irgendjemand auch nur den leisesten Verdacht schöpfen sollte.
Und dennoch – sie sollte nicht die Einzige sein, die bewaffnet war. Falls sie getrennt wurden, musste der Archivar schließlich ebenso in der Lage sein, sich zu verteidigen. Schweren Herzens zückte sie einen ihrer geliebten Revolver und bot ihm die Waffe an.
Er sah ihr direkt in die Augen. »Sie kennen meine Einstellung zu Waffen, Miss Braun.«
Verdammter störrischer Kerl! Sie schluckte ihren Ärger herunter, steckte die Waffe wieder ins Halfter und zog dann mit einer geschickten Drehung der Hand zwei Stiletts aus dem Innenfutter ihrer Jacke. Diese waren zwar nicht so hübsch wie die beiden, die sie in der Oper verloren hatte, aber dafür stabiler. Sie war stolz darauf, von sich sagen zu können, dass sie aus ihren Fehlern lernte. Sie war außerdem großzügig.
»Dann dürfte das hier wohl eher Ihre Kragenweite sein.« Er starrte auf das ihm dargebotene Stilett, als präsentierte sie ihm ein Kaninchen, das von einer Kutsche überfahren worden war und tagelang am Straßenrand gelegen hatte. Eliza war ein wenig gekränkt, doch auch nicht sonderlich überrascht.
»Das glaube ich weniger.«
Jetzt wurde es ihr aber langsam zu bunt. »Kommen Sie, Welly!« Sie fixierte ihn mit ihrem zwingendsten Blick. »Sie müssen jederzeit in der Lage sein, auf sich aufzupassen. Das hier ist kein gemütlicher Spaziergang durch den Hyde Park an einem frischen Frühlingstag. Wir befinden uns in der Höhle des Löwen. Denken Sie daran, was die Harry angetan haben.«
Er schürzte die Lippen, während er ihre Entschlossenheit abschätzte, dann griff er nach dem Stilett. Es entglitt seinen Fingern und wäre auf den Boden gefallen, hätte Eliza nicht blitzschnell reagiert und es aufgefangen. Wellington lächelte, aber so leicht ließ sie ihn nicht davonkommen. Prompt zog sie eine Scheide aus ihrem offenen Koffer, steckte das Stilett hinein und drückte ihm die nun gesicherte Klinge in die Hand.
»Ich muss Ihnen gestehen, Miss Braun, dass ich zuletzt an Weihnachten ein so scharfes Messer in der Hand hatte, als ich eine Gans aufschneiden sollte. Und selbst da habe ich mich geschnitten.«
Eliza tätschelte seinen Arm. »Dann nehmen Sie es eben symbolisch als Notfallplan – und hoffen, dass es niemals dazu kommt. Nun denn« , sie legte ihm eins der Gewehre in die Hand , »haben Sie überhaupt schon mal an einer Jagd teilgenommen?« Wellington musste zumindest so tun, als wüsste er, wie man schießt.
Er unterbrach die Betrachtung der Waffe und warf ihr über den Rand seiner Brille hinweg einen amüsierten Blick zu – dabei hatte er wahrlich keinen Grund zur Heiterkeit.
»Schon verstanden.« Eliza nahm das Gewehr wieder an sich. »Überlassen Sie das mir.«
»Und wenn … « Der Archivar räusperte sich. »Wenn es zu einer ähnlichen Situation wie gestern Abend kommen sollte?«
Sie drückte seinen Arm und sah ihm fest in die Augen. »Dann darf sich keiner von uns aus der Affäre ziehen. Keiner!«
Sie akzeptierte sein schroffes Nicken als Antwort, doch konnten sie es sich nicht erlauben, derart finster dreinzublicken. Als sie die Treppe hinuntergingen, vorbei an den goldgerahmten Porträts und den Jagdtrophäen, korrigierte Eliza ihre Züge zu einem freundlichen Lächeln.
»Na los, Welly«, zischte sie ihm zu und ruckte an seinem Arm. »Ziehen Sie doch bitte kein Gesicht, als wartete draußen der Galgen auf Sie.«
Das Lächeln, das er augenblicklich aufsetzte, hätte die Schauspieler von der Drury Lane vor Neid erblassen lassen. Schon wieder dieses beeindruckende Talent, Wellington, dachte Eliza und fühlte sich sofort an Harry erinnert.
Nein, sie würde dieselben Fehler gewiss nicht noch einmal
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