Books & Braun: Das Zeichen des Phönix (German Edition)
zurück steckte er die Schlüssel in seine Manteltasche und trat in das saphirblaue Licht.
Als er sich umdrehte, um die Tür von innen zu schließen, sträubten sich ihm plötzlich die Nackenhaare.
Eine Bewegung. Kein Zweifel. Außer ihm und den Agenten Books und Braun war noch jemand hier unten.
Er kniff die Augen zusammen und spähte in die Regalreihen. Eventuell spielte ihm seine wilde Fantasie doch wieder nur einen Streich. Books und Braun in unmittelbarer Nähe zu wissen, beunruhigte ihn womöglich mehr, als er sich eingestehen mochte. Und überhaupt, heute war Samstag. Wussten die beiden denn nichts mit ihrer Freizeit anzufangen? Er hätte nie gedacht, dass sich ausgerechnet Agentin Braun im Archiv aufhalten würde, anstatt ihr Wochenende mit einem schneidigen, charmanten Liebhaber auf dem Lande zu verbringen. Möglicherweise stutzte Wellington Books ihr ja gerade die Krallen. Ein bisschen.
»Und jetzt?«
»Jetzt widmen wir uns der Alphabetisierung«, antwortete Books. »Immer schön der Reihe nach, Miss Braun. Schritt für Schritt. So, und nicht anders.«
Dr. Sound streckte noch einmal den Kopf vor und lauschte. Er wartete, doch es rührte sich nichts. Abgesehen von den Archivaren in der Krypta war der Direktor allein.
Zeit zu gehen.
Er betastete die Brusttasche seines Mantels und vergewisserte sich, dass er die Schlüssel auch tatsächlich wieder dort hineingesteckt hatte. Solchermaßen beruhigt drehte Dr. Sound mehrmals an den Ventilrädern auf der Innenseite der schweren Eisentür, die sich daraufhin langsam und gleichmäßig zischend zuzog. Umhüllt von leisem Summen und warmem, blauem Licht war der Direktor nun allein mit dem, was sich im zutrittsbeschränkten Bereich des Ministeriums verbarg.
Kapitel 24
In welchem unser tollkühnes Duo an einer kleinen Jagd teilnimmt und herausfindet, was sich eigentlich hinter dem Lieblingssport der Gesellschaft des Phönix verbirgt
In dem marmorgefliesten Atrium versammelten sich dieselben Leute wie schon am Abend zuvor. Allerdings boten sie dieses Mal einen gänzlich anderen Anblick als er Eliza noch deutlich vor Augen stand. Nackt und lüstern hatten sich Mitglieder und Initianden eines Verhaltens befleißigt, das noch unzüchtiger war als die Trinklieder, schmutzigen Limericks und Varieté-Theater, die sie kannte. Doch nun, im Licht eines neuen Tages, waren sie wieder ganz die Alten, selbstherrlich und wichtigtuerisch wie eh und je, und die gestrige Nacht eine dunkle Erinnerung, die man am besten schnell vergaß. Das war noch so eine Manier, auf die sich die britische Aristokratie wirklich gut verstand – und zudem eine, die Elizas neuseeländisches Feingefühl nicht ertragen konnte: Arroganz.
Eliza hatte die verheerende Wirkung gesehen, die diese Haltung auf »die kleinen Leute« haben konnte. Das Ministerium war, ungeachtet seiner Verpflichtungen gegenüber Königin und Vaterland, der große Gleichmacher. Harry hatte fest daran geglaubt, dass sie die Advokaten der Menschen ohne Stimme waren. Für diese Überzeugung war er gestorben. Und wenn es sein musste, würde sie das Gleiche tun.
Die Dienstboten waren ebenfalls für die Jagd gekleidet, und Eliza sann darüber nach, in welch große Geheimnisse sie womöglich eingeweiht waren. Mit versteinerter Miene standen sie im Flur aufgereiht wie gefühllose Statuen.
Als Bartholomew Devane Eliza ansah – unverhohlene Begierde sprach aus seinem Blick – , lächelte sie zuckersüß. Selbst am helllichten Tag löste er bei ihr ein solches Unbehagen aus, dass ihr eisige Schauer über den Rücken liefen. Seine arme Ehefrau warf ihr ebenfalls einen Blick zu, doch ihr Gesichtsausdruck glich dem der Hausdiener, und derweil die anderen Damen miteinander schnatterten wie eine Schar aufgestörter Rebhühner, stand Olivia Devane ein wenig abseits. Ihre Hände hielten einander fest, als könnten sie ihr Trost spenden. Eliza bemerkte solche Gesten, solch sinnlose Gesten sofort.
»St. John«, blaffte Devane, »bei Gott, warum ist Ihre Gattin für die Jagd gekleidet? Die meisten Damen verbringen den Tag mit geziemender Beschäftigung – wie Sticken und dergleichen.«
Vielleicht war es doch ganz gut so, dass Wellington ihr die Rolle der Stummen auferlegt hatte, denn sie musste sich gehörig auf die Zunge beißen, um an dieser Stelle keine bissige Bemerkung loszulassen. Ihr »Ehemann« wartete, bis sie den Eingang des Herrenhauses hinter sich gelassen hatten und neben dem Protz standen, ehe er in einem weitaus
Weitere Kostenlose Bücher