Books & Braun: Das Zeichen des Phönix (German Edition)
noch Hoffnung auf Gerechtigkeit, wenn nicht auf Liebe. Vielleicht hatte ihr beider Verlust doch noch einen Sinn.
Ausnehmend sachte drehte Eliza seine Hand um und ließ das Medaillon, das sie im Archiv gefunden hatte, langsam hineingleiten. »Harrison, erinnerst du dich an dieses Medaillon?«
Das bildete sie sich nicht ein: Er schoss ihr aus seinen wässrigen Augen einen Blick zu, und daher fuhr sie hastig fort: »Erinnerst du dich, an diese Menschen, die gestorben sind – die du nicht aufgeben wolltest?«
Seine Stimme war nur noch ein Krächzen, seine aufgesprungenen Lippen bebten. »Knochen, Haut und Blut!«
Schnell nahm Eliza seine Hände und hielt sie fest, bevor er sie sich in den Mund stecken konnte. »Ja. Es war schrecklich. Das Ministerium mag diese Fälle aufgegeben haben, aber du nicht.«
»Knochen … Haut … Blut … « Harrison schüttelte den Kopf und wich ruckartig vor ihr zurück, wiederholte entsetzt die drei schrecklichen Besonderheiten dieser Fälle, die ihn bereits damals nicht losgelassen hatten und ihn in seinem gegenwärtigen Zustand scheinbar noch immer verfolgten.
Er verfiel wieder in diesen gedanklichen Wirrwarr, der ihn nach Bedlam gebracht hatte. Eliza legte ihre Stirn an seine und versuchte, ihn zurückzuholen.
Unendlich langsam drehte sie den Kopf zu dem Medaillon. Er tat es ihr gleich. »Das hast du bei dem letzten Opfer gefunden, Harrison«, flüsterte sie und zeichnete den Umriss des Medaillons nach, seine asymmetrische Form, strich über diese eigenartige Katze, die sie jetzt anstarrte. »Erinnerst du dich? Du hast es gefunden, und du wolltest es nicht mehr hergeben.«
»Tatsächlich?« Seine Stimme war schwach, doch hörte sie darin ein Echo ihres alten Freundes.
Eine Träne rann ihr übers Gesicht – eine verweichlichte, törichte Träne. »Hast du das für mich zurückgelassen? Hast du es in den Akten zurückgelassen, damit ich es finde?«
Er öffnete einige Male den Mund, bis er schließlich antwortete: »Du … du … siehst sie, nicht wahr, Lizzie?«
Eliza hob den Kopf. »Sie, Harrison?« Ein schneller Blick durch den Raum zeigte ihr, dass sie allein waren.
Harrison stieß ein kurzes, bitteres Lachen aus – was sie noch nie von ihm gehört hatte. Es hallte in der Zelle wider, während er den Kopf schlaff zur Seite hängen ließ. Wäre er ein Fremder gewesen, hätte Eliza ihm vielleicht eine Ohrfeige verpasst oder ihn zumindest gewaltig geschüttelt.
»Bitte, Harrison – ich verstehe es nicht. Wovon redest du?« Sie musste stark sein. »Von wem redest du?«
Wieder strich er ihr übers Haar, mit einem herzzerreißenden Ausdruck sehnsüchtiger Trauer in den Augen. Unwillkürlich musste sie an Paris denken und an die nächtliche Fahrt auf der Seine, es war einer ihrer letzten gemeinsamen Einsätze. Damals raste ihr Herz wie wild, ganz ohne die Gefahr durch Dynamit. Hatte sie wegen dieser albernen Gefühle irgendwelche Anzeichen übersehen? Hatte ihr Partner womöglich schon am Rande des Wahnsinns gestanden, und sie war nur zu blauäugig gewesen, um es zu bemerken?
Eliza kniff für einen Moment die Augen zu. Sie war an schnelles Handeln gewöhnt, nicht an mühsame Verhöre. Das war immer Harrisons Stärke gewesen. In den letzten Monaten ihrer Partnerschaft hatte er bezüglich dieser Fälle jedoch eine unmäßige Besessenheit entwickelt. Ausgeblutete Leichen, gehäutete Leichen und Leichen, die keinen festen Knochen mehr im Leib gehabt hatten. Harry war felsenfest davon überzeugt gewesen, dass die Mordfälle miteinander in Beziehung standen, dennoch konnte keinerlei Zusammenhang hergestellt werden. Ohne plausible Erklärung in Sicht und aufgrund einiger Situationen, die die Handschrift des Hauses Usher trugen, hatte das Ministerium die Ermittlungen fallen gelassen, sehr zu Harrisons Entsetzen.
Aber dieses Medaillon hatte er behalten, den einzigen Anhaltspunkt. Ihr Partner war immer ein eifriger Verfechter der Einhaltung von Vorschriften gewesen – bis es um die Lumpen- und Knochenmorde ging, wie er sie bezeichnete.
»Ja, ich habe sie gefunden.«
»Es tut mir so leid, Harry«, wisperte sie. »Wenn ich doch nur mehr darauf geachtet hätte, was du getan hast … «
»Weine nicht, Lizzie.« Seine Stimme war schwer von Kummer. »Ich habe sie gefunden.« Er streichelte über ihre Wange, doch schaute er sie dabei nicht an. »Und jetzt hast du sie auch gefunden.«
Als Eliza seinem Blick folgte, sah sie, wie er die Kette ins Licht hielt und zwischen zwei Fingern
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