Books & Braun: Das Zeichen des Phönix (German Edition)
zwirbelte. Eliza blinzelte und legte den Kopf schief. Sobald sich das Medaillon sehr schnell drehte, ergab sich ein Bild, das sie anders nicht entdeckt hätte. Man sah immer noch eine Katze – aber solange sich der Anhänger drehte, lächelte die Katze sie an.
Die Grinsekatze, bekannt aus den Geschichten von Lewis Carroll.
»Ich sehe sie, Harrison, ich sehe sie wirklich«, hauchte sie, und ihr wurde ein wenig schwindelig, »aber was hat das zu bedeuten?«
Abrupt hörte er auf, das Medaillon zu drehen, und drückte es ihr in die Hand. »Wir sind hier alle verrückt. Ich bin verrückt. Du bist verrückt.« Der Singsang, in dem er das sagte, jagte ihr einen eisigen Schauder über den Rücken. Dann fing Harry an, sich hektisch zu kratzen und zu schütteln, und er flüsterte seine Worte wieder und wieder vor sich hin.
Er wimmerte wie ein geprügeltes Kind, und Elizas Bemühungen, ihn zu beruhigen, wurden panisch weggeschlagen. Furcht schnürte ihr die Kehle zu, als sie zusehen musste, wie zwanghaft Harrison sich den Nacken kratzte. Bei den Göttern, sie hatte ihn in den Wahnsinn zurückgestoßen, indem sie ihn an das Kapitel seines Lebens erinnerte, das immer quälend bleiben würde. Nein, Harry, ich werde dich in diesem Zustand nicht allein lassen, schwor sie im Stillen und hielt seine Hände fest, so gut sie konnte.
Während dieses Gerangels entdeckte sie hinter seinem linken Ohr versteckt ein wulstige Narbe.
»Die hattest du früher nicht«, zischte sie und spürte, wie Furcht und Mitleid ihrem Ärger wichen, einer willkommenen Ablenkung von ihrem Kummer.
»Ist schon gut, Harrison«, knurrte Eliza und drückte ihn fest an sich, wenn auch nur für einen Moment. Dann schritt sie zielstrebig auf die Tür zu und klopfte laut. Der Wärter hatte sie kaum einen Spaltbreit geöffnet, als Eliza ihn schon in die Zelle riss. »Was haben Sie mit ihm gemacht?«
Eliza zerrte ihn weiter, und Thomas mühte sich, mit ihr Schritt zu halten. Er fand sein Gleichgewicht erst wieder, als sie ihn losließ und ihm die Narbe zeigte. Harry heulte und wimmerte und schlug sich gegen den Kopf.
Einen Augenblick lang konnte Eliza die Beteuerungen des Wärters gar nicht richtig hören. »Das war eine der Wunden, die er bereits bei seiner Ankunft hatte, Miss.«
Da bekam Harrison einen heftigen Tobsuchtsanfall, und Thomas schlang jählings die Arme um Eliza und zog sie beiseite. Wahrscheinlich hätte sie dem Wärter die Zähne eingetreten, wenn Harrison nicht » LIZZIE !« gebrüllt hätte.
Ihm versagte die Stimme, und sein Gesicht verzog sich zu einem stummen Schrei. Der Moment verstrich, und als Harry sie ansah, zitterte seine Stimme. »Vergiss nicht, Lizzie, wir sind alle wie Mäuse in einem Labyrinth. Also spielt es keine Rolle, wohin du gehst, solange du irgendwo ankommst. Du schaffst es bestimmt, wenn du nur lange genug weiterläufst. Und sobald du dort bist, hast du einen Ort, wo du dich ausruhen kannst, wo du essen und trinken kannst.« Unvermittelt sprang er auf, warf die Arme in die Luft und schrie: » WO DU LEBEN KANNST !«
Im ersten Moment kam ihr sein unzusammenhängendes Gerede vor, als plapperte er das aus, was ihm irgendwelche göttlichen Stimmen vorsagten, doch dann begriff sie. Harrisons Verstand funktionierte noch ein kleines bisschen. Er versuchte, ihr etwas klarzumachen. Es verschlug ihr den Atem, und sie ließ zu, dass der Wärter sie aus der Zelle bugsierte. Ja, dachte sie, den Blick starr auf Harrison gerichtet, ich verstehe.
Thomas verriegelte die Zelle – trotz der massiven Tür waren Harrisons Schreie auch auf dem Flur zu hören – und lehnte sich seufzend an die Wand. Er sah müde aus. »Mr. Thorne ist jetzt nicht mehr bei uns, Miss. In diesem Zustand werden Sie nichts Vernünftiges aus ihm herausbekommen.«
»Meine falschen Anschuldigungen wegen dieser Narbe tun mir leid«, flüsterte Eliza mit gesenktem Kopf und betrachtete das Medaillon. »Ich habe unwillkürlich vermutet … «
Wortlos deutete Thomas in die Richtung, aus der sie gekommen waren, und eskortierte Eliza zum Atrium zurück. Als sie die Galerie durchquerten, wurden sie von diesem zahnlosen Mann erwartet, der ihr bereits auf dem Hinweg aufgefallen war. Seine Augen strahlten, und mit einem Zwinkern flüsterte er: »Buuuuumm!«
Das war beinahe zu viel für Eliza, und sie beeilte sich, mit dem Wärter Schritt zu halten. Sobald sie den Haupteingang erreicht hatten, stapfte Thomas ohne den üblichen Austausch von Höflichkeiten einfach davon. Die
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