Books & Braun: Das Zeichen des Phönix (German Edition)
Schwester rief einen Wärter herbei. »Thomas wird Sie hinaufbringen und direkt vor der Tür auf Sie warten.«
Das sagte alles. Um Himmels willen, Harry! Ihre Hand krampfte sich um die merkwürdige Form des Medaillons.
Mit einem Nicken bedankte Eliza sich bei der Krankenschwester und folgte dem stummen Wärter mit den gebeugten Schultern in den Männertrakt. Die Geschichten über Bedlam waren legendär – legendär und abscheulich. Daher war Eliza erleichtert festzustellen, dass sich die Dinge offensichtlich geändert hatten. Nun gut, es gab diverse verschlossene Türen, durch die der Wärter sie geleiten musste, doch diese führten in große, luftige Korridore, von denen dann die Patientenzimmer abzweigten. Es war die Abteilung für »heilbare« Kranke, wo die Insassen in kleinen Gruppen beisammensaßen und Kleider flickten, Figürchen bemalten und andere niedere Tätigkeiten verrichteten. Ein großer Mann mit Zahnlücken blickte von seinem Spielzeugsoldaten auf, als Eliza an ihm vorbeiging, und grinste sie an.
»Hübsche Dame«, rief er in einem seltsamen Singsang. Dann kicherte er und fügte hinzu: »Hübsche Dame machen bumm .«
Erschrocken zuckte Eliza zusammen, hielt abrupt inne und drehte sich um, doch der Patient konzentrierte sich bereits wieder auf seine Arbeit, und jedes Interesse, das er an ihr gezeigt haben mochte, war inzwischen verflogen. Entnervt eilte Eliza weiter und holte ihren Türöffner ein.
Schließlich standen sie vor einer massiven, mechanischen Schiebetür, einer beeindruckenden Konstruktion aus Messing und Zahnrädern, die augenblicklich vermuten ließ, dass es auf der anderen Seite etwas gab, das unter Verschluss gehalten werden musste. Thomas legte seine kräftige Hand in eine Öffnung im Türpfosten. Das Räderwerk sirrte und tuckerte, und mit einem Knall, bei dem Eliza zusammenfuhr, schloss sich das Messing um Thomas’ Hand. Nach einer Sekunde rumpelte die Tür, glitt auf Schienen in die Wand, und Eliza wich einen Schritt zurück. Das muss dann wohl die Station für die Unheilbaren sein, dachte sie, und beim Überschreiten der Schwelle lief es ihr eiskalt über den Rücken.
Der Unterschied wurde sofort offenkundig. Wie ein Ziegelstein schlug ihr der widerliche Geruch entgegen, und sie atmete durch den Mund weiter.
So sehr sie sich auch bemühten, die Angestellten des Hospitals konnten nicht verhindern, dass der ranzige Gestank von Körperabsonderungen überall in der Luft hing. Dies war das Bedlam, das keine Besucher kannte, das Bedlam, das niemand ertragen konnte, das man besser vergaß, es sei denn, man war dort Stammgast. Der Wärter führte sie den Gang an verschlossenen Türen entlang, und Eliza versuchte, das Wimmern und Schreien auszublenden – aber in dieser Umgebung war selbst ihre Ausbildung nutzlos.
Es quälte sie auch der Gedanke, dass innerhalb dieser Mauern mehr als ein Agent des Ministeriums eingesperrt war. Sie versprach sich selbst einen ordentlichen Drink, sobald sie nach Hause käme.
Schließlich sperrte Thomas eine Zelle auf und wartete. Eliza blieb an der offenen Tür stehen. »Vielen Dank«, sagte sie zu ihm, und als sie ihm dann in die Augen sah, fiel ihr auf, dass sie von einem sanften Braunton waren und voller Mitgefühl.
»Ich werde hier draußen warten, Miss.« Seine Stimme war hell wie die eines Knaben – seltsam zu hören, aus solch einem kolossalen Körper.
Mit einem Nicken trat Eliza ein, und leise schloss sich die Tür hinter ihr.
Harrison Thorne kauerte in einer Ecke, mit abgewandtem Gesicht. Sie sah nur seine zotteligen, goldblonden Haare, und ihr stockte der Atem. Man konnte meinen, er sei vielleicht doch noch der Alte.
Dann blickte der Mann, den sie einst als ihren Partner und Freund gekannt hatte, über die Schulter, und der Verfall war allzu deutlich.
Eliza kniff die Augen zusammen und erinnerte sich an Harrison, wie er gewesen war: hochgewachsen, voller Energie und Enthusiasmus, ein verdammt guter Kartenspieler und ein Mann, den zu küssen man nur schwer widerstehen konnte. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie sich einer Realität gegenüber, die sie schon so lange verdrängt hatte.
Er war eine ganze Woche verschwunden gewesen, bevor das Ministerium ihn gefunden und nach Bedlam geschafft hatte. Seit damals hatte sie ihn nicht mehr gesehen.
»Harrison?« Ihre Stimme klang fremd. Hohl. Sie wurde von Reue überwältigt. Warum hatte sie dem Ministerium nicht getrotzt, wie sie es auch früher schon getan hatte, und war ganz
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