Boomerang
müsste wie Frankreich«, erklärte Bass, »würde schon die Zinslast allein zum Staatsbankrott führen.« Sobald den Investoren diese Tatsache bewusst wäre, würden sie ihre Haltung ändern. Sobald sie ihre Haltung ändern würden, gingen diese Staaten pleite. (»Wenn man erst einmal das Vertrauen verloren hat, gewinnt man es nicht wieder. Das ist einfach so.«) Und was dann? Die Finanzkrise 2008 wurde nur dadurch in der Schwebe gehalten, dass Investoren der Meinung waren, Regierungen könnten so viel Geld leihen, wie sie benötigten, um ihre Banken zu retten. Was würde passieren, wenn die Regierungen selbst ihre Glaubwürdigkeit verlören?
Eine neuerliche, noch größere Finanzkrise stand also bevor – das war in den Augen von Kyle Bass nur eine Frage der Zeit. Ende 2008 dachte er, Griechenland würde vermutlich als Erstes pleitegehen und damit möglicherweise den Zusammenbruch des Euro einleiten. Er hielt es für möglich, dass dies innerhalb von zwei Jahren passieren könnte, war sich seiner Zeiteinschätzung aber nicht sonderlich sicher. »Nehmen wir an, es dauert fünf Jahre und nicht zwei«, sagte er. »Nehmen wir an, es dauert sieben Jahre. Soll ich warten, bis ich das Weiße in deren Augen sehe, oder soll ich mich jetzt positionieren? Die Antwort ist: jetzt. Denn wenn die Leute einen Staatsbankrott erst für möglich halten, wird es teuer. Wenn du wartest, wirst du für das Risiko zur Kasse gebeten.«
|15| Als wir uns trafen, hatte er gerade seine ersten Credit Default Swaps auf Anleihen von Staaten gekauft, die nach seiner und der Einschätzung seines Analystenteams ihre Schulden am ehesten nicht mehr würden zurückzahlen können: Griechenland, Irland, Italien, die Schweiz, Portugal und Spanien. Er schloss die Wetten direkt bei den wenigen großen Wall-Street-Banken ab, bei denen in seinen Augen die höchste Wahrscheinlichkeit bestand, dass man sie nicht pleitegehen lassen würde – Goldman Sachs, JP Morgan und Morgan Stanley –, da er aber ihren Möglichkeiten misstraute, eine ernsthaftere Krise zu überstehen, verlangte er für diese Geschäfte tägliche Sicherheiten von ihnen. Rückblickend waren die Preise, die er für Ausfallversicherungen zahlte, absurd niedrig. Die Ausfallversicherung auf griechische Staatsanleihen kostete ihn beispielsweise elf Basispunkte. Um griechische Staatsanleihen gegen Ausfall zu versichern, zahlte Hayman Capital demnach eine Jahresprämie von 1100 Dollar. Bass rechnete damit, dass Griechenland, wenn es erwartungsgemäß pleiteging, rund 70 Prozent seiner Schulden würde zurückzahlen müssen – was bedeutete, dass ihm jede gezahlte 1100-Dollar-Prämie 700 000 Dollar einbringen würde. »Niemand glaubt, dass eine Industrienation pleitegehen könnte, weil es so etwas, solange wir leben, nicht gegeben hat«, erklärte Bass. »Und niemand ist daran interessiert, dass darüber nachgedacht oder geredet wird. Nicht einmal unsere Investoren. Sie sehen dich an und sagen: ›Ja, die Sache mit dem Subprime-Markt stimmt schon. Aber du hältst immer nach diesen extrem seltenen Ereignissen Ausschau, und darum denkst du, dass sie viel häufiger passieren, als es wirklich der Fall ist.‹ Aber ich habe diese Position nicht gesucht. Ich habe nur versucht zu verstehen, wie die Welt funktioniert, und dann kam das ganz von selbst.« |16| Und jetzt, da er verstanden habe, wie die Welt funktionierte, fuhr er fort, könne er nicht begreifen, wie ein halbwegs vernünftiger Mensch etwas anderes tun könne, als sich auf eine bevorstehende noch größere Finanzkrise gefasst zu machen. »Es ist vielleicht nicht das Ende der Welt«, fügte er hinzu. »Aber sehr viele Leute werden sehr viel Geld verlieren. Und wir haben uns vorgenommen, nicht dazuzugehören.« Er klang absolut überzeugend. Er klang aber auch absolut unglaubwürdig. Ein Typ, der in einem Büro in Dallas, Texas, saß und großspurige Prognosen über die Zukunft von Ländern abgab, in die er vielleicht noch nie einen Fuß gesetzt hatte: Woher, um alles in der Welt, sollte er wissen, wie sich eine Handvoll Leute verhalten würden, denen er noch nie begegnet war? Während er seine Gedanken darlegte, erlebte ich eine Reaktion, die ich oft an mir feststelle, wenn ich Leuten zuhöre, die vollkommen sicher zu sein scheinen, dass irgendwelche ungewissen Ereignisse eintreten werden. Einerseits riss er mich mit seinen Argumenten mit, und ich fing an zu befürchten, dass die Welt bald untergehen würde, andererseits war da ein Teil von
Weitere Kostenlose Bücher