Boomerang
investigativer Finanzblog namens
Guido Fawkes
war irgendwie an eine Liste der ausländischen Inhaber von Anleihen gekommen: deutsche Banken, französische Banken, deutsche Investmentfonds, Goldman Sachs. (Ja – auch die Iren trugen ihr Scherflein zu Goldman bei.)
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|143| In ganz Europa sind Menschen, die dachten, ihre Berufsbezeichnung sei »Finanzminister«, abrupt zu der Erkenntnis gekommen, dass ihre Aufgabe tatsächlich im Vertrieb von Staatsanleihen besteht. Die Verluste irischer Banken haben Irland ganz offensichtlich in den Ruin getrieben, doch der irische Finanzminister möchte darüber nicht sprechen. Stattdessen erklärt er mir gleich mehrfach, Irland sei bis zum nächsten Sommer »voll finanziert«. Das bedeutet, die irische Regierung hat genug Geld in der Kasse, um bis nächsten Juli ihre Rechnungen zu bezahlen.
Erst auf dem Weg zur Tür wird mir die Belanglosigkeit dieser Feststellung bewusst. Die ungeschminkte Wahrheit ist: Seit September 2008 ist Irland mit jedem Tag mehr der Gnade seiner Gläubiger ausgeliefert. Um flüssig zu bleiben, haben Irlands Banken, die jetzt dem irischen Staat gehören, bei der EZB kurzfristige Kredite über 85 Milliarden Euro aufgenommen. Eine Woche später wird Lenihan von der Europäischen Union gezwungen werden, den IWF nach Irland zu rufen, die Kontrolle über die irischen Finanzen aus der Hand zu geben und ein Rettungspaket in Anspruch zu nehmen. Die irische Bevölkerung weiß es noch nicht, doch während der Finanzminister und ich an seinem Konferenztisch sitzen, hat die Europäische Zentralbank das Interesse an der Vergabe von Krediten an irische Banken verloren. Und Brian Lenihan muss sich bald vors irische Parlament stellen und zum vierten Mal erklären, warum nicht zugelassen werden kann, dass private Investoren irischer Banken Verluste erleiden dürfen. »Es ist schlicht unmöglich für dieses Land, dessen Banken so stark auf internationale Investoren angewiesen sind, gegen die Wünsche der EZB einseitig Inhaber erstrangiger Anleihen nicht zu bedienen«, wird er sagen.
|144| Dabei gab es eine Zeit, da hatten die Wünsche der EZB für Irland keine so große Bedeutung. Das war, bevor die irische Regierung ausländische Inhaber von Anleihen irischer Banken mit EZB-Geld abfand.
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Einmal alle zehn Jahre versuche ich mich am Fahren auf der falschen Straßenseite, was jedes Mal mit der Zerstörung der Seitenspiegel diverser links geparkter Fahrzeuge endet. Als ich mich deshalb nach einem Iren umsah, der mich chauffieren sollte, stieß ich auf einen Mann, den ich Ian McRory nennen will. Er ist Ire, Fahrer und ganz offensichtlich noch einiges andere. Er verfügt über ein Navigationssystem, das militärischen Ansprüchen zu genügen scheint, und über überraschende Kenntnisse dunkler und geheimer Angelegenheiten. »Ich befasse mich auch mit Personenschutz und dergleichen«, erzählt er, als ich frage, was er denn sonst noch so mache, wenn er nicht gerade Finanzkrisentouristen kreuz und quer durch Irland kutschiere. Mehr sagt er nicht. Als ich später den Namen eines ehemals wohlhabenden irischen Bauträgers erwähne, meint er nebenhin, als sei das weiter nichts Besonderes, er habe sich »Zugang verschafft« zum Ferienhaus des Mannes und Fotos der Räumlichkeiten gemacht »für einen Bekannten, der es vielleicht kaufen möchte«.
Ian hat ganz offensichtlich ein gutes Gespür dafür, was ich oder irgendjemand im ländlichen Irland interessant finden könnte. So sagt er etwa: »Da drüben ist ein ganz typischer Feenring«, und erläutert dann unterhaltsam, dass solche Kreise aus Steinen oder Pilzen, wie sie auf irischen Feldern anscheinend von Natur aus vorkommen, mythische Wesen beherbergen, wie die heimischen Bauern glauben. »Die Iren |145| glauben tatsächlich an Feen?«, frage ich und kann den so typischen Ring, auf den Ian gerade gedeutet hat, trotz angestrengter Blicke nicht erkennen. »Na ja, wenn Sie auf die Leute zugehen und sie direkt fragen: ›Glaubt ihr an Feen?‹, werden das die meisten abstreiten«, entgegnet er. »Doch bitten Sie mal einen, den Elfenring auf seinem Grund und Boden auszuheben. Das macht keiner. Und das ist für mich Glaube.« Recht hat er. Es ist ein taktischer Glaube, der nur existiert, weil der Unglaube so wenig Vorteile bietet – genau wie die vormals herrschende Überzeugung, dass die Grundstückspreise in Irland für alle Zeiten weiter steigen könnten.
Die Autobahn aus Dublin hinaus führt an verlassenen Baustellen und
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