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Boomerang

Boomerang

Titel: Boomerang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewis
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ausländische Banker. Griechische Anarchisten verschicken jetzt Briefbomben |148| an deutsche Politiker und werfen Molotowcocktails auf ihre Polizisten. In Irland wurde das Geld von wenigen Banken aufgenommen, doch die Menschen scheinen nicht nur bereit, es zurückzuzahlen, sondern tun dies praktisch ohne zu Murren. Im Herbst 2008, als die Regierung mit bedürftigkeitsorientierter Gesundheitsversorgung drohte, gingen in Dublin alte Menschen auf die Straße. Ein paar Tage nach meiner Ankunft folgten die Studenten, deren Protest aber weniger öffentlicher Aufschrei als vielmehr Theater war – und womöglich auch eine Ausrede, um Lehrveranstaltungen zu schwänzen. (Auf einem der Transparente stand: SCHLUSS MIT SO WAS.) Ich sprach zwei Studenten an, als sie sich gerade von der Veranstaltung entfernten, und wollte wissen, warum sie sich alle gelbe Striche auf die Gesichter gemalt hatten. Sie schauten einander kurz an. »Keine Ahnung!«, sagte schließlich einer und brach in Gelächter aus.
    Ansonsten herrschte … Stille. Inzwischen sind über drei Jahre vergangen, seit die irische Regierung die Verluste irischer Banken auf das irische Volk übertragen hat. In dieser Zeit hat es nur zwei augenfällige Akte sozialer Unruhe in Irland gegeben. Anfang 2009, auf der ersten Hauptversammlung von AIB nach dem Kollaps, bewarf ein älterer Mitbürger die Führungsriege der Bank mit faulen Eiern. Und im September 2010 pinselte ein Bauunternehmer aus Galway namens Joe McNamara bankerfeindliche Sprüche auf seinen Zementmischer, kletterte in die Kabine, fuhr durchs ganze Land und ließ den Wagen vor den Toren des Parlaments stehen, nachdem er die Bremsen blockiert hatte. Der betagte Eierwerfer war rasch vergessen, doch McNamara hielt sich etwas länger in den Nachrichten. Er weigerte sich, Interviews zu geben. »Joe ist ein zurückhaltender Mensch«, erklärte mir sein Anwalt. » |149| Er hat gesagt, was er zu sagen hatte. Er möchte keinen Medienrummel.«
    Bevor er seinen Zementmischer in der Einfahrt zum Parlamentsgebäude stehen ließ, war McNamara nur ein kleiner Bauunternehmer. Er legte Fundamente und hatte wie viele Handwerker aus der Pampa einen Kredit von der Anglo Irish Bank erhalten. So begann seine Karriere als Immobilienentwickler. Er zog nach Galway, in eine schicke neue Anlage gleich neben einem Golfplatz. Der Grund für seine finanzielle Notlage aber lag etwa eine Stunde vor der Stadt, in einem Ferienhotel, das er in dem kleinen Dorf bauen wollte, in dem er aufgewachsen war – Keel auf der abgelegenen Insel Achill. »Achill«, wiederholt Ian, nachdem ich ihm verraten habe, wohin er mich fahren soll. Dann schweigt er eine Minute lang, als wolle er mir Zeit geben, es mir anders zu überlegen. »Um diese Jahreszeit ist Achill ziemlich deprimierend.« Wieder denkt er eine Minute lang nach. »Aber na ja, im Sommer kann es auch ziemlich deprimierend sein.«
    Es dämmert bereits, als wir über die kleine Brücke auf die Insel rollen. Auf beiden Seiten der einspurigen Straße, die sich über die Insel schlängelt, erstrecken sich Torfmoore. Das sieht weniger nach einem »Touristenziel« aus als nach »Ende der Welt«. (»Der nächste Halt ist dann Neufundland«, witzelt Ian.) Das Achill Head Hotel – Joes erstes Projekt, das noch von seiner Exfrau geführt wird – hat geschlossen und liegt im Dunkeln. Doch da – mitten in McNamaras winzigem Heimatort Keel – liegt die Quelle aller finanziellen Sorgen des Mannes: ein gigantisches schwarzes Loch, umgeben von Bulldozern und Baumaterial. 2005 hatte er damit begonnen, ein bescheidenes einstöckiges Hotel mit zwölf Zimmern zu bauen. Im April 2006 hatte er seine Pläne angesichts des explodierenden |150| irischen Immobilienmarktes erweitert und die Genehmigung zum Bau eines vielstöckigen Luxushotels beantragt. Genau zu diesem Zeitpunkt schlug der Markt um. »Wir sind im Juni 2006 weggegangen«, erzählte mir der Savills-Makler Ronan O’Driscoll. »Im September kamen wir zurück und alles hatte einfach aufgehört. Wie kann es sein, dass alle auf einmal beschließen, dass es Zeit zum Aufhören ist – dass es Wahnsinn ist?«
    Seit vier Jahren wird das Dorf nun schon durch die Hotelbaustelle verschandelt. Doch erst im Mai 2010 drohte die Anglo Irish Bank, die McNamara das Geld für das Projekt geliehen hatte, mit Zwangsverwaltung. Das irische Konkursrecht war nicht auf spektakuläre Fehlschläge ausgelegt – vielleicht, weil die Menschen, die das Gesetz verfassten, auch nie an

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