Boomerang
damals Kronkorken gesammelt«, erzählt er. »Und heute nimmt das staatliche Gesundheitswesen nicht einmal mehr Krücken zurück? Das kann doch nicht sein! Uns geht es viel zu gut.« Anders als die meisten Menschen, die er kennt, hat Keogh keine Schulden. »Ich hatte nichts zu verlieren«, erklärt er. »Ich schuldete niemandem etwas. Deshalb konnte ich das tun!« Außerdem war er gerade von einer schweren Erkrankung genesen, was ihm das Gefühl gab, er könne sich einiges erlauben. »Ich hatte soeben eine neue Niere bekommen und war sehr froh darüber«, sagt er. »Das muss wohl eine Niere von Che Guevara gewesen sein.« Er schildert seinen ausgeklügelten Plan wie ein Attentäter den perfekten Mord. »Ich hatte nur zwei faule Eier«, erzählt er, »aber die waren richtig faulig! Ich hatte sie ja schließlich sechs Wochen lang in der Garage liegen!«
Die AIB-Hauptversammlung vom März 2009 war die erste, die er jemals besucht hatte. Und er machte sich Sorgen, dass etwas schiefgehen könnte, gibt er zu. Weil er befürchtete, keinen Parkplatz zu finden, fuhr er mit dem Bus. Weil er befürchtete, |156| die Eier könnten zerbrechen, bastelte er eigens einen Schutzbehälter. Weil er befürchtete, sich nicht zurechtzufinden, plante er genügend Zeit ein, um den Veranstaltungsort zu inspizieren. »Ich stand zeitig an der Tür und machte vorab einen Erkundungsrundgang«, wie er es formuliert. »Ich wollte wissen, was da auf mich zukam.« Sein Eierbehälter war zu groß, um ihn hineinzuschmuggeln. Deshalb warf er ihn schon draußen weg. »Ich hatte in jeder Jackentasche ein Ei«, berichtet er. Weil er befürchtete, die Eier könnten zu schlüpfrig sein für einen sicheren Griff und Wurf, hatte er jedes dünn in Zellophan gewickelt. »Ich positionierte mich auf dem vierten Platz in der vierten Reihe«, beschreibt er. »Nicht zu nah, aber auch nicht zu weit weg.« Dann wartete er auf den richtigen Moment.
Und der kam schnell. Die Topmanager hatten kaum ihre Plätze auf dem Podium eingenommen, als sich schon unaufgefordert ein Aktionär erhob, um eine Frage zu stellen. Da blaffte der AIB-Verwaltungsratsvorsitzende Gleeson: »Setzen Sie sich!«
»Der hielt sich für einen Diktator!«, meint Keogh, der schon jetzt die Nase voll hatte. Er stand auf und rief: »Ich habe mir euren Mist lange genug angehört! Sie sind ein verfluchter Dreckskerl!« Und dann eröffnete er das Feuer.
»Er dachte, ich hätte auf ihn geschossen«, erzählt er heute mit einem verschmitzten Lächeln. »Das erste Ei traf nämlich sein Mikrofon, und das knallte ganz schön!« Es spritzte auf das Schulterpolster von Gleesons Anzug. Das zweite Ei verfehlte den CEO, zerbarst aber auf dem AIB-Zeichen hinter ihm.
Da griffen auch schon die Sicherheitskräfte ein. »Es hieß, ich würde verhaftet und verklagt werden, doch dazu kam es |157| nicht«, berichtet er. Natürlich nicht: Es war schließlich im Grunde ein Familienstreit gewesen. Die Wachleute wollten ihn hinausbringen, aber in Wirklichkeit verließ er den Ort des Geschehens allein und setzte sich in den nächsten Bus nach Hause. »Der Vorfall ereignete sich um zehn nach zehn morgens«, erzählt er. »Um zehn vor elf war ich schon wieder zurück. Um zehn nach elf klingelte das Telefon. Ich wurde eine Stunde lang im Radio interviewt.« Dann brach, wenn auch nur kurz, die Hölle los. »Die Presse belagerte mein Haus und ließ mir keine Ruhe«, fährt er fort. Doch ihm war das gleich. Ihn hielt dort nichts. Er hatte getan, was er tun wollte, und sah keinen Grund für weiteres Aufheben. Am nächsten Morgen um sechs bestieg er in Dublin ein Flugzeug und brach zu einer lange geplanten Mittelmeerkreuzfahrt auf.
|158| It’s the Economy, Dummkopf!
A ls ich in Hamburg ankam, schien das Schicksal der Finanzwelt von den Launen der Deutschen abzuhängen. Moody’s war im Begriff, die portugiesischen Staatsanleihen zu Junkbonds herabzustufen, und Standard & Poor’s hatte angedeutet, dass Italien als Nächstes an der Reihe sein könne. Auch Irland drohte der Ramschstatus, und die Furcht ging um, der Nachfolger des spanischen Ministerpräsidenten Zapatero könnte nach den Wahlen im Herbst die Gelegenheit beim Schopfe packen und verkünden, dass das Land weit größere Auslandsschulden hatte, als sein Vorgänger zugab. Und dann war da noch Griechenland. Von den 126 Ländern, deren Schulden von Rating-Agenturen bewertet werden, stand Griechenland auf Platz 126. Hellas war nun ganz offiziell das Land, das mit der
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