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Boomerang

Boomerang

Titel: Boomerang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewis
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Eigenschaften auch über erstklassige Manieren. Er besitzt die Fähigkeit, |153| erfreut zu wirken, wenn Wildfremde an der Tür klingeln, und sie glaubwürdig willkommen zu heißen. Auf dem Tisch in Gary Keoghs kleinem aufgeräumtem Esszimmer liegt ein Buch, das seine Enkelkinder gebastelt haben. Es ist vom Mai 2009.
Granddad’s eggcellent Adventure
heißt es.
    In den Monaten nach der Rettung der Banken durch Brian Lenihan befasste sich Keogh zum ersten Mal im Leben näher mit dem Verhalten irischer Banker. Seine eigenen AIB-Aktien, die einst als so sicher wie Bargeld oder Gold galten, verloren rasch an Wert, doch die Topmanager der Bank zeigten nicht die Spur von Reue oder Scham. Der AIB-Verwaltungsratsvor sitzende Dermot Gleeson und sein CEO Eugene Sheehy waren ihm ein besonderer Dorn im Auge. »Die beiden haben sich immer wieder hingestellt und gesagt: ›Unsere Bank ist hundertprozentig solide‹«, erklärt Keogh. »Als ob alles in schönster Ordnung sei!« Er wollte plötzlich mehr wissen über diese Menschen, denen er stets blind vertraut hatte. Und was sich ihm enthüllte – nämlich hoch bezahlte Zeit- und Geldverschwender –, brachte ihn noch mehr in Rage. »Der Verwaltungsratsvorsitzende genehmigte sich selbst 475   000 für die Leitung von zwölf Sitzungen!«, echauffiert er sich immer noch.
    Was Keogh feststellte, war und ist der schockierendste und gleichzeitig vertrauteste Aspekt des irischen Dilemmas: wie leichtfertig althergebrachte Finanzinstitute ihre Traditionen und Prinzipien über Bord warfen. Mit der Anglo Irish war eine neue Bank auf den Plan getreten, die vorgeblich eine neue und bessere Methode entdeckt hatte, Bankgeschäfte zu tätigen. Anglo reagierte unglaublich schnell. Ein irischer Bauträger konnte am Spätnachmittag mit einer neuen Idee bei der Bank vorsprechen und noch am selben Abend mit mehreren hundert Millionen Euro nach Hause gehen. Anglo konnte das |154| Geld so rasch auszahlen, weil sie das Bankgeschäft zur Familiensache erklärt hatte. Gefiel ihr der Kunde, hielt sie sich nicht damit auf, sein Projekt zu analysieren.
    Statt auf den Irrsinn dieses Ansatzes hinzuweisen, schlossen sich die beiden alten irischen Banken ihm einfach widerspruchslos an. Ein irischer Geschäftsmann namens Denis O’Brien saß 2005 im Verwaltungsrat der Bank of Ireland, als diese mit dem verblüffenden Wachstum von Anglo Irish konfrontiert wurde. (Die Bank war drauf und dran, ihre Größe in nur zwei Jahren
zu verdoppeln
.) »Ich weiß noch, wie der CEO hereinkam und sagte: ›Wir werden 30 Prozent Wachstum im Jahr verzeichnen‹«, erzählte mir O’Brien. »Ich fragte, und wie zum Teufel wollen Sie das machen? Im Bankgeschäft betragen die Wachstumsraten allenfalls 5 bis 7 Prozent im Jahr.«
    Sie schafften es, indem sie es Anglo Irish nachtaten: Sie stellten irischen Bauträgern Schecks aus, damit diese irisches Land aufkaufen konnte – zu jedem Preis. Die Allied Irish Banks, die ihre Kreditsachbearbeiter danach bezahlten, wie viel Geld sie verliehen, richteten eine Abteilung ein, die im Scherz ABA genannt wurde (Anybody but Anglo – jeder außer Anglo). Sie sollte Anglo die größten Kunden aus der Baubranche abspenstig machen – genau die Leute also, die die spektakulärsten Konkurse in der irischen Geschichte hinlegen würden. Im Oktober 2008 veröffentlichte die
Irish Times
eine Liste der fünf größten Immobilientransaktionen der vorangegangenen drei Jahre. Das Geld für zehn der fünfzehn Projekte stammte von Allied Irish. Anglo Irish finanzierte nur ein einziges. Der insolvente Immobilienentwickler Simon Kelly, der bei verschiedenen irischen Banken persönlich mit 200 Millionen Euro in der Kreide steht und als Gesellschafter mit anderen Partnern weitere 2 Milliarden Euro schuldig geblieben ist, |155| erzählte in einer landesweit ausgestrahlten Radiosendung, das einzige Mal in seiner Laufbahn, dass ein Bankmitarbeiter ungehalten wurde, sei gewesen, als er einen Kredit
zurückzahlte
– an Anglo Irish, mit Geld, das er bei Allied Irish aufgenommen hatte. Die ehemaligen Manager von Anglo Irish, die ich interviewt habe (inoffiziell, da sie alle untergetaucht sind), sprechen von ihren älteren, respektableren Nachahmern mit einer gewissen Verwunderung. »Ja, wir waren außer Kontrolle«, geben sie unverblümt zu. »Aber diese Leute waren
total verrückt

    Gary Keogh hat darüber nachgedacht, wie sich Irland seit seiner Jugend verändert hat, als das Land bitterarm war. »Ich habe

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