Boomerang
erklärt er: »Du musst einen Schritt Abstand nehmen und sagen: ›Ich wurde unter ungünstigen Bedingungen gewählt, und ich trete unter ungünstigen Bedingungen ab.‹ Du kannst nicht beides haben. Du kannst kein verwöhntes Kind sein.«
Mit den ungünstigen Bedingungen war die endlose Finanzkrise gemeint. Schwarzenegger hatte das Regierungsamt während der Pleite nach dem Platzen der IT-Blase übernommen, und er war während der Pleite nach dem Platzen der Immobilienblase aus dem Amt ausgeschieden. Vor und nach unserem Radausflug setzte ich mich mit ihm zusammen, um mir seine Meinung zu letzterem Ereignis anzuhören. Es war Mitte 2007, erzählt er mir, als er zum ersten Mal merkte, dass mit der kalifornischen Wirtschaft irgendetwas nicht stimmte. Er hatte gerade Haushaltsverhandlungen hinter sich gebracht und war bei einer Zahl angelangt, wie faul sie auch sein mochte, mit der das Budget für ausgeglichen erklärt werden konnte. Ein Assistent betrat mit einer ziemlich schlechten Nachricht sein Büro: Die Steuereinnahmen dieses Monats waren niedriger ausgefallen als erwartet. »Plötzlich hatten wir 300 Millionen Dollar Steuergelder zu wenig für den Monat«, sagt Schwarzenegger. »Es war irgendwie ein mulmiges Gefühl. Weil offensichtlich irgendetwas in der Luft lag.« Kurze Zeit später hielt er im Weißen Haus – George W. Bush war seinerzeit Präsident –, eine Rede, in der er, wie immer, Optimismus verbreitete. »Am Ende kam dieser Typ zu mir – es war der Mann, der für das Wohnungswesen zuständig war, ich habe seinen Namen vergessen. Guter Mann. Aus unerfindlichen Gründen |213| war er sehr ehrlich zu mir. Ich weiß nicht, warum. Wahrscheinlich dachte er, ich würde nicht herumlaufen und es an die große Glocke hängen, was ich auch nicht tat. ›Das war ein tolle Rede, die Sie gehalten haben‹, sagte er, ›aber wir haben da ein großes Problem.‹ ›Wie meinen Sie das?‹, fragte ich. Er entgegnete: ›Ich habe mir ein paar Zahlen angeschaut, und es wird unangenehm werden.‹ Das war alles, was er sagte. Näher erklären wollte er es nicht.« Ein Verfall der Immobilienpreise in den Vereinigten Staaten bedeutete einen Einbruch der Immobilienpreise in Kalifornien, und das wiederum bedeutete einen wirtschaftlichen Zusammenbruch und den Rückgang der Steuereinnahmen. »Im darauffolgenden Monat fehlten uns 600 Millionen Dollar an Steuereinnahmen. Im Dezember war es schon eine Milliarde.«
Die Hoffnung, dass Kalifornien so viele Steuern einnehmen würde, dass wenigsten die soeben abgespeckten Ausgaben für den öffentlichen Dienst gedeckt wären, schwand dahin. »Die letzten drei Jahre waren von der Krise beherrscht«, bemerkt Schwarzenegger. »Plötzlich sind alle sauer auf dich. Die Parkverwaltungen kriegen kein Geld mehr, und schon schwärmen alle von den Parks. Den Leuten ist immer nur das wichtig, was sie unmittelbar tangiert: So funktioniert das menschliche Gehirn eben.«
Wie sich die weitere Verschlechterung im öffentlichen Dienstleistungssektor auf die Menschen direkt vor Ort auswirkte, bekam ein Gouverneur mit Amtssitz in Sacramento eben nicht unmittelbar mit. Wie Meredith Whitney erklärt hatte, kann ein Bundesstaat seine Finanzprobleme leicht vertuschen, indem er sie an die Städte und Gemeinden weiterreicht. Im Mai 2011 bestätigte der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten – um nur das filmreifste von zahllosen |214| Beispielen zu nennen – eine Entscheidung, derzufolge die Bedingungen in den kalifornischen Gefängnissen den Tatbestand einer grausamen und ungewöhnlichen Bestrafung erfüllten und somit gegen den achten Zusatzartikel der Verfassung verstießen. Das Urteil schrieb dem Staat Kalifornien vor, entweder mehr Gefängnisse zu bauen oder 30 000 Gefangene aus der Haft zu entlassen. Der Staat – dessen Gefängniswärter immer noch überbezahlt waren – entschloss sich, nicht nur die Gefangenen auf freien Fuß zu setzen, sondern mit ihnen auch die gesellschaftlichen Kosten freizusetzen, die ihre Entlassung mit sich bringen wird. Es wird aller Wahrscheinlichkeit nach mehr Straftaten und eine größere Abhängigkeit von den städtischen Sozialleistungen geben, aber für diese Kosten müssen die Kommunen selbst aufkommen. An einem Punkt unseres Gesprächs hatte ich Schwarzenegger gefragt, wie viel Zeit er als Gouverneur damit verbracht hat, sich mit den konkreten kommunalen Folgen der großen Staatskrise herumzuschlagen. Es war ziemlich offensichtlich, dass ihn die Frage
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