Boomerang
später ins Bürgermeisteramt gewählt worden; 2010 wurde er mit 77 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Er ist Demokrat, aber im Augenblick spielt es keine große Rolle, welcher Partei er angehört, welches seine ideologischen Neigungen sind oder wie beliebt er beispielsweise bei den Bürgern von San José ist. Er hat ein Problem, das so gravierend ist, dass die normalen politischen Geschäfte dagegen in den Hintergrund treten: Die Stadt schuldet ihren Bediensteten so viel mehr Geld, als sie bezahlen kann, dass sie selbst dann noch Insolvenz anmelden könnte, wenn ihre Schulden halbiert würden. »Ich habe die Kosten für einen einzelnen Angestellten im öffentlichen Dienst ausgerechnet«, erklärt er, während wir es uns gemütlich machen. »So schlimm wie Griechenland sind wir nicht dran, glaube ich jedenfalls.«
Die Ursachen des Problems reichen weit hinter die jüngste Finanzkrise zurück. »Himmel, ich war dabei. Ich weiß, wie es anfing. Es fing in den 1990ern mit der Dotcom-Blase an. Wir leben in der Nachbarschaft von reichen Leuten, also dachten wir, wir wären reich.« San Josés Haushalt ist wie alle städtischen Haushalte eng mit den Kosten für die öffentliche Sicherheit verknüpft: Die Gehälter für Polizei und Feuerwehr verschlingen derzeit 75 Prozent aller frei verfügbaren Ausgaben. Der Internetboom weckte große Erwartungen nicht nur auf der Seite der städtischen Bediensteten, sondern auch hinsichtlich vermehrter Steuereinnahmen, die nötig waren, um Erstere zu erfüllen. In den Tarifverhandlungen mit den Gewerkschaften war die Stadt verpflichtet, sich verbindlichen Schiedssprüchen zu unterwerfen, ein Verfahren, das für Polizeibeamte und Feuerwehrleute genauso funktioniert wie für |218| die Baseballspieler der Major League. Jede Seite gibt ihr bestes Gebot ab, und eine vermeintlich unparteiische Schiedsperson sucht eines davon aus. Es gibt keine Vergleiche, kein Treffen in der Mitte: Die Schiedsperson entscheidet sich einfach für die eine oder für die andere Seite. Das schafft für jede Seite einen Anreiz, ein vernünftiges Angebot vorzulegen, denn je unvernünftiger das Angebot ist, umso wahrscheinlicher wird es von der Schiedsperson zurückgewiesen werden. Das Problem mit den bindenden Schiedssprüchen für Polizisten und Feuerwehrleute liegt Reed zufolge allerdings darin, dass die Schiedspersonen nicht wirklich unparteiisch sind. »Meist sind es Arbeitsrechtsanwälte, die zugunsten der Gewerkschaften entscheiden«, sagt er. »Darum tut die Stadt alles, um dem Prozess aus dem Weg zu gehen.« Und welcher Politiker möchte sich schon vor der Öffentlichkeit mit Polizisten und Feuerwehrleuten anlegen?
Im vergangenen Jahrzehnt hatte die Stadt San José den Forderungen der Gewerkschaften für öffentliche Sicherheit und Ordnung immer wieder nachgegeben. In der Praxis bedeutete das: Jeder bessere Tarifabschluss, der der Polizei oder der Feuerwehr in irgendeiner beliebigen Stadt im Umkreis gelang, lieferte der Polizei und der Feuerwehr von San José ein Argument an die Hand, ebenfalls höhere Gehälter zu fordern. Die Folge: Der beste Tarifabschluss, den die Bediensteten im öffentlichen Sicherheitssektor irgendeiner nordkalifornischen Stadt erzielen konnten, wurde als Richtwert für die nächste Verhandlungsrunde in allen anderen Kommunen herangezogen. Darüber hinaus benutzten die städtischen Abteilungen den Vergleich untereinander, um höhere Forderungen zu stellen. Beispielsweise traf die Polizeigewerkschaft von San José 2002 eine Vereinbarung über eine 10-prozentige Gehaltserhöhung für Polizisten. |219| Wenig später schlossen die Feuerwehrleute von San José einen besseren Vertrag ab, der ihnen eine Gehaltserhöhung von 23 Prozent sicherte. Die Polizei fühlte sich betrogen und lamentierte so lange, bis die Stadtverordnetenversammlung ein Angebotspaket schnürte, das eine weitere 5-prozentige Gehaltserhöhung beinhaltete; als Gegenleistung verpflichteten sich die Polizisten zur Teilnahme am Anti-Terror-Training. »Wir wurden berühmt für unser Anti-Terror-Trainings-Gehalt«, erklärt ein Vertreter der Stadtverwaltung. Schließlich wurde das Training wieder eingestellt, aber das höhere Gehalt einschließlich Zusatzleistungen wurde weiterhin bezahlt. »Unsere Polizisten und Feuerwehrleute werden im Ruhestand mehr verdienen als während ihrer Arbeitsjahre«, sagt Reed. »Früher hieß es einmal, wir müssten ihnen mehr Geld zahlen, sonst könnten sie es sich nicht leisten, in der Stadt
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