Borderlands
Bitte. Werfen Sie Ihre Waffe auf den Boden.«
»Ich bin
unbewaffnet«, sagte ich und streckte die Arme aus.
»Ich weiß,
dass das nicht stimmt. Sie haben neulich abends eine Waffe von der Wache
mitgenommen. Bitte werfen Sie sie zu Boden. Jetzt«, fügte sie hinzu und stupste
Kate mit ihrem eigenen Revolver an.
»Wo ist Ihr
Bruder, Yvonne?«, fragte ich und ließ den Blick durch das Halbdunkel schweifen
für den Fall, dass er sich dort irgendwo verbarg. Doch ich ahnte allmählich, wo
er war. »Er ist nicht hier, stimmt’s?«
»Legen Sie
sich auf den Boden, Inspector«, sagte Yvonne. »Bitte zwingen Sie mich nicht,
Sie zu verletzen.«
Die Gestalt,
die hinter Coyle zusammengesunken an der Wand saß, blickte auf. »Bist du das,
Devlin?« Es war Thomas Powell.
»Sie wissen
noch nicht, wer es getan hat, nicht wahr?«, sagte ich, als mir aufging, was es
bedeutete, dass sowohl Powell als auch Kate Costello hier waren. »Sie wissen
nicht, wer Ihre Mutter ermordet hat. Auf Ratsy sind Sie durch den Ring
gekommen; ich vermute, er hat Cashell und Powell verraten. Aber … Sie wissen
nicht, wer die Anweisung gegeben hat.«
»Und dabei
können Sie mir helfen, Inspector«, sagte Yvonne mit zusammengebissenen Zähnen.
»Und jetzt legen Sie sich auf den Boden, verdammt!«
»Wo ist Ihr
Bruder, Yvonne? Hat er Emily Costello getötet? Hat er eine alte Frau
umgebracht?«
Ich hörte Kate
wimmern.
»Reden Sie nur
weiter, Inspector«, sagte Yvonne, »und ich erschieße diese nutzlose Schlampe
auch, wenn ihr Vater es nicht war.« Wieder stieß sie Kate die Waffe in die
Seite. Panik blitzte in den Augen des Mädchens auf, Entsetzen verzerrte ihr
Gesicht.
»Sie haben die
Falsche, Yvonne«, sagte ich, während ich langsam auf sie zuging. »Der Rest
unserer Truppe ist jetzt da draußen.« Ich konnte Powells Umrisse erkennen; er
schüttelte den Kopf. »Sie haben die Falsche. Costello hat Ihre Mutter nicht
getötet. Donaghey hat Ihnen das zwar gesagt, aber er hat gelogen.«
»Dann haben
Sie jetzt Gelegenheit, diesen Irrtum zu korrigieren, Inspector. Einer dieser
beiden muss für das sterben, was geschehen ist. Suchen Sie sich einen aus. Es
ist Ihre Entscheidung, wer am Leben bleibt.«
»Das kann ich
nicht, Yvonne«, sagte ich, griff langsam in die Tasche und tastete nach meinem
Revolver. »Sie wissen, dass ich das nicht tun kann.«
»Werfen Sie
Ihre Waffe auf den Boden, Inspector«, sagte Yvonne. Dann hörte ich, wie die
Trommel an ihrer Waffe einrastete, und Kate Costello schrie auf. Ich zog meine
Waffe aus der Tasche und warf sie von mir. Dann hob ich beschwichtigend die
Hände.
»Es war
Costello«, schrie Powell plötzlich. »Mein Vater hat es mir erzählt. Wir sind
doch verwandt, verdammte Scheiße«, sagte er mit überschnappender Stimme, die in
ein Schluchzen überging.
»Das ist nicht
wahr«, sagte ich. »Ich weiß auch nicht, wer es getan hat, Yvonne. Meinen Sie
nicht, es sind schon genug Menschen gestorben?«
Sie kam ein
Stück auf mich zu, die Waffe immer noch in der Hand. »Warum hätte Powell meine
Mutter umbringen lassen sollen? Woher wissen Sie, dass es nicht ihr …« Sie
deutete auf Kate Costello – offenbar fiel ihr kein Wort ein, das schlimm genug
war, um sie oder ihren Vater zu beschreiben.
»Ihre Mutter
wusste etwas über die Masche, mit der Powell die Unternehmen geschröpft hat,
die er nach Donegal geholt hat. Sie ist zur Polizei gegangen. Donaghey hat für
Powell gearbeitet. Aber Donaghey hat Sie angelogen. Dem dürfen Sie nichts
glauben. Yvonne, wo steckt Ihr Bruder? Bitte.«
»Er bringt
alles zum Abschluss. Besucht unseren Vater.«
Und da wusste
ich es. »Scheiße, es ist Harvey, stimmt’s?«, sagte ich verzweifelt.
Sie antwortete
nicht. Plötzlich war das Zimmer so hell, als wäre ein Blitzlicht aufgeflammt,
und ein Knall, der an meinem Trommelfell wie berstendes Eis klang, hallte im
Gebäude wider. In diesem flüchtigen grellen Licht leuchtete Powells Gesicht
ganz kurz auf, und ich sah, wie ein Ausdruck der Fassungslosigkeit
darüberhuschte, während ein einzelner Blutschweif aus seinem Körper auf die
Wand dahinter spritzte.
Kate Costello
kreischte nun hysterisch, und Coyle hatte Mühe, sie festzuhalten.
Ich krabbelte
hinüber zu dem zusammengesunkenen Körper, roch Kordit und darunter einen üblen
Gestank. Die Feuchtigkeit des Teppichs sickerte an den Knien in meine
Hosenbeine. Doch Powell war nicht mehr zu helfen. »Bitte! Hören Sie auf damit,
Yvonne«, brachte ich heraus.
Nun ließ
Weitere Kostenlose Bücher