Bordeuax
wacklig auf den Beinen, und schaltete das Licht im Laden an. Ich sah auf
die Uhr und meinte, halb acht darauf zu erkennen. Wo war die Zeit geblieben?
Mir fiel ein, was Francis mal zu mir gesagt hatte. »Dieser Ort stiehlt dir die
Zeit.« Er hatte recht. Ich schüttete noch etwas Wein in mein Glas und machte
mir gleich danach Vorwürfe, dass ich ihn nicht richtig eingeschenkt hatte.
Catherine würde wohl nicht mehr kommen. Die Plenders und Simmonds hatten die
Oberhand gewonnen.
Ich öffnete die Ladentür, ich
brauchte frische Luft. Auf einmal kam mir der ganze Ort unerträglich stickig
vor. Vorerst wollte ich nicht noch mehr trinken. Ich trat nach draußen auf den
Hof. Es war Dämmerlicht, kühl und still. Ich war umgeben von dem süßen Duft,
der von den Bergen herunterwehte - der Geruch nach Heidekraut, der Wein - wer
weiß. Ich blickte zum Himmel, es war eine mondlose Nacht. Millionen Sterne
funkelten am Firmament. Ich legte den Kopf in den Nacken, betrachtete die
Sternbilder, als sähe ich sie zum ersten Mal. Noch nie hatte ich einen
Nachthimmel beobachtet, der so hell war, so voller Hoffnung.
Dann sah ich die Scheinwerfer eines
Autos, das die Einfahrt entlangkroch; Catherines Wagen fuhr auf den Hof und
hielt an. Sie stieg aus, noch immer in dem Pelzmantel, den sie bereits heute
Morgen getragen hatte, doch ohne den Hut, das blonde Haar schimmernd im Licht,
das aus dem Ladenfenster fiel. Sie sah mich an, ich stand im Türrahmen, und sie
sagte: »Geht es dir gut?«
»Ich bin betrunken«, sagte ich. »Ich
habe mindestens zweieinhalb Flaschen Wein getrunken. Ich hätte nicht gedacht,
dass du zurückkommst.«
»Bin ich aber«, sagte Catherine.
»Glaub mir, es war nicht leicht wegzukommen. Ed und meine Mutter haben mich mit
Luchsaugen beobachtet. Ich bin mir sicher, dass sie was ahnen.«
»Was ahnen?«, fragte ich. Ich hatte
den Eindruck, als redete ich Blödsinn.
»Das mit dir und mir.«
»Dir und mir?« Ich schwankte leicht
und streckte die Hand nach dem Türrahmen aus, um mich festzuhalten.
»Komm«, sagte Catherine. »Ich bring
dich in die Wohnung. Ich habe dich noch nie betrunken erlebt, Wilberforce.
Irgendwie niedlich. Aber das machst du doch nicht oft, oder?«
Ich beobachtete sie, während sie mit
raschen, effizienten Bewegungen das Licht ausmachte und den Laden zuschloss,
dann meinen Arm nahm und mich über den Hof zur Wohnung führte.
»In der Verfassung kannst du heute
Abend unmöglich noch Auto fahren«, sagte Catherine. »Du bleibst besser gleich
hier. Ich beziehe dir das Bett in Francis' Gästezimmer.«
Sie führte mich zu einem Lehnsessel
und lief behänd nach oben. Ich lag in dem Sessel und war schon dabei
einzuschlafen. Für alles wurde ich auf einen Schlag entschädigt: fünfzehn Jahre
unablässiger Arbeit, Francis' Tod, der Wein. Ich fühlte mich unendlich erschöpft.
Ich nahm kaum wahr, dass Catherine mich die Treppe hoch in Francis' Gästezimmer
brachte, dass sie mich auszog, und dass es ihr irgendwie gelang, mich ins Bett
zu bringen. Ich lag zugedeckt wie ein kleines Kind, das darauf wartete, dass
ihm jemand eine Gutenachtgeschichte vorlas.
»Ich muss gehen«, sagte Catherine.
»Meine Mutter wundert sich bestimmt schon, wo ich so lange bleibe. Ich darf ihr
nicht zu viele Lügen an einem Tag auftischen, dazu ist sie viel zu klug.«
»Geh nicht«, sagte ich, aber mir
fielen schon beim Reden die Augen zu.
»Ich muss gehen«, sagte Catherine,
»aber morgen, so früh ich kann, bin ich wieder bei dir.«
Ich wurde von Vogelgezwitscher
geweckt, und von den Sonnenstrahlen, die durch die zurückgezogenen Vorhänge
fielen. Für einen Moment hatte ich keine Ahnung, wo ich mich befand. Dann kamen
mir einzelne Erinnerungsfetzen: die Beerdigung, die Party, Catherine, die mich
nach oben bringt. Sie musste mich ins Bett gebracht haben, sie musste mich
ausgezogen haben.
Ich ging nach unten, das heiße
Wasser in der Dusche funktionierte, dann fand ich Francis' Rasierapparat und
rasierte mich. Als ich fertig war, schlenderte ich mit einem Handtuch um die
Hüfte in die Küche, um nach Wasserkessel und Kaffeekanne zu suchen. In der
Küche stand Catherine. Sie trug Pullover und Jeans, eine Handtasche um die
Schulter gehängt.
»Meine Mutter glaubt, ich bin bei
Fenwick's«, sagte sie, »meine Hochzeitswunschliste zusammenstellen.«
Ich schlang das Handtuch enger um
mich herum, aus Verlegenheit.
»Sei nicht albern«, sagte sie
lachend. »Ich musste dich gestern Abend ausziehen und ins Bett bringen.
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