Bordeuax
mir die Tür auf. Es musste Eds Vater sein, ich
reichte ihm die Hand und sagte: »Guten Tag, Wilberforce. Ich möchte zu Ed.«
Der Mann ignorierte meine
ausgestreckte Hand - nicht unhöflich, aber so, als wäre sie nicht da - und
machte eine leichte Verbeugung. »Ich bin Horace, Sir. Wenn Sie mir bitte
folgen würden. Lord Edward erwartet Sie in seinem Büro.«
Ich kam mir dumm vor, denn erst
jetzt wurde mir klar, dass Horace der Butler sein musste. Ich betrat hinter
ihm ein riesiges, düsteres Vestibül, das mit dunklem Holz getäfelt war, an den
Wänden, halb verdeckt von den Schatten, finstere Porträts von Männern, die
meisten in Militäruniformen vergangener Jahrhunderte. Horace führte mich durch
das Vestibül, dann weiter durch ein Labyrinth von Gängen, Treppen hinauf und
wieder hinunter, bis wir zu einem langen Flur kamen. Vor der letzten einer
ganzen Reihe von Türen, die vom Flur abgingen, blieben wir stehen. Horace
öffnete und bedeutete mir einzutreten.
Wir befanden uns in einem Büro mit
zwei Schreibtischen, auf einem stand ein Computer. Ed Simmonds saß davor und
starrte dumpf auf den Schirm. Als er mich sah, sprang er auf und kam auf mich
zu. »Gut, dass Sie gekommen sind. Danke, Horace. Ich läute, wenn wir so weit
sind und zu Mittag essen können. Es ist noch schlimmer geworden mit diesem
blöden Apparat, Wilberforce. Ich glaube, das sind erste Anzeichen einer
Krankheit.«
Ich setzte mich an den Schreibtisch
und fing an, die Einstellungen an dem Computer zu überprüfen. Ich brauchte
zehn Minuten, um das Problem zu beheben, und noch mal zwanzig, um ein
E-Mail-Konto einzurichten. Ed saß mir gegenüber und beobachtete mich
ehrfürchtig, als wäre ich ein Medizinmann. Als ich fertig war, zeigte ich ihm,
welche Tasten er drücken musste und wie man das E-Mail-Programm nutzte.
Ed Simmonds war hingerissen.
»Wunderbar«, sagte er. »Sie sind wirklich ein Genie. Drei Leute haben sich das
Gerät vorgeknöpft, und keiner konnte irgendwas ausrichten.«
»Wofür brauchen Sie den Computer?«,
fragte ich.
»Keine moderne Gutsverwaltung ist
mehr ohne Computer, deswegen dachte ich, dass wir auch einen haben müssten.
Und unsere Steuerberater und Grundstücksverwalter wollen heute alles unbedingt
per E-Mail verschicken.«
»Verbringen Sie viel Zeit hier?«,
fragte ich.
»Nicht, wenn es sich eben vermeiden
lässt«, sagte Ed. »Ich habe eine Sekretärin, die das meiste für mich erledigt,
aber es ist doch beschämend, wenn ich das Gerät nicht mal einschalten oder
ohne Hilfe eine E-Mail öffnen kann. Jetzt werde ich dank Ihrer Hilfe bei allen
Eindruck schinden. Kommen Sie, Mittag essen.«
Erst beim Rückweg durch das Haus
bekam ich eine Ahnung von den enormen Ausmaßen von Hartlepool Hall. Ich
erhaschte flüchtige Blicke auf Treppen, die in die oberen Stockwerke führten.
Wir durchquerten zwei Säle, die mit schwarzweißen Marmorfliesen ausgelegt waren
und vollgestellt mit Statuen aus Alabaster und mattiertem Marmor. Wir kamen an
Räumen vorbei, die mit Billardzimmer, Herrenzimmer, Lord Simons Arbeitszimmer
oder Anrichteraum beschildert waren. Schließlich erreichten wir wieder das
Vestibül, wo mein Weg seinen Anfang genommen hatte. Ed schlenderte durch das
Vestibül und öffnete eine Tür.
Auf der anderen Seite befand sich
ein großes Speisezimmer, in dem ein etwa fünfzehn Meter langer Esstisch stand.
An den Wänden hingen Bilder von gewaltigem Format, venezianische Szenen
diesmal, oder ungewöhnlich üppige Frauengestalten, die nuckelnde Kinder an ihre
Brust drückten. Am anderen Ende des Saals befand sich eine Nische, in der ein
kleinerer Tisch für drei Personen gedeckt war, daneben eine Anrichte mit einer
Karaffe, gefüllt mit einer goldgelben Flüssigkeit, und zwei Gläsern. Ein drittes
Glas hielt Eck in der Hand, er trank daraus und sah dabei aus dem Fenster.
Als er uns hereinkommen hörte,
drehte er sich um. »Ihr habt so lange gebraucht, dass ich mir erlaubt habe,
mich bei deinem Sherry zu bedienen.«
»Richtig so, Eck«, sagte Ed. »Kann
ich Ihnen auch ein Glas anbieten, Wilberforce?«
»Nein, danke«, sagte ich. »Ich
trinke eigentlich gar nicht.«
Die Speisen wurden von einem
Teewagen aus serviert, den Horace ins Zimmer schob: Suppe und Lammkoteletts.
Ed und Eck tranken Wein, ich trank Wasser. Nach dem Essen gingen wir nach
nebenan in ein kleines Wohnzimmer, in das Horace uns den Kaffee brachte. Das
Gespräch führten hauptsächlich Ed und Eck, aber ich fühlte mich
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