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Bordeuax

Bordeuax

Titel: Bordeuax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Torday
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keineswegs
ausgeschlossen. Sie behandelten mich wie einen alten Freund, nicht wie
jemanden, der erst vor wenigen Minuten in ihr Leben getreten war. Irgendetwas
war seltsam, als ich so mit ihnen am Tisch saß; ich versuchte es näher zu
ergründen, aber es gelang mir nicht. Dann wurde mir klar, was es war: Ich
fühlte mich einfach wohl.
    Die Tür zum Wohnzimmer öffnete sich,
und ein älterer Herr in einer abgetragenen Hausjacke aus karminrotem Samt, auf
dem Kopf eine Bommelmütze, ebenfalls aus Samt, kam hereingeschlurft. Die Füße
steckten in abgestoßenen Pantoffeln aus kariertem Tweed.
    Ed sprang sofort auf. »Hallo, Pa«,
sagte er. »Eck kennst du ja. Aber Wilberforce kennst du noch nicht.«
    »Wen?«, fragte der alte Herr und
kaute, während er mich musterte, auf einer Spitze seines zerzausten
Schnurrbarts.
    »Wilberforce«, wiederholte Ed. »Er isst
mit uns zu Mittag.«
    »Ich selbst esse nie zu Mittag«,
sagte Eds Vater. Dann wandte er sich mir zu. »Gut gemacht. Gut gemacht.
Großartige Leistung. Herrliches Spiel. Da haben wir es den Aussies mal wieder
gezeigt, was echtes Cricket ist.« Nachdem er die kleine Lobrede abgelassen
hatte, verließ er wortlos den Raum.
    »Offenbar hält er Sie für jemand
anderen«, erklärte mir Ed. »Das muss Sie nicht weiter stören. Er hat manchmal
solche Anwandlungen.«
    Etwas später verkündete Ed, dass er
einer gewissen Catherine versprochen habe, kurz bei ihr vorbeizuschauen. »Aber
bleiben Sie ruhig noch«, sagte er zu mir. »Horace wird sie zur Tür bringen,
wenn Sie gehen möchten. Vielen Dank, dass Sie sich herbemüht haben,
Wilberforce. Beehren Sie uns bald mal wieder? Hinterlassen Sie doch Ihre
Telefonnummer hier auf dem Block neben dem Telefon. Sie dürfen nicht einfach
wieder so aus unserem Leben verschwinden, nachdem wir uns gerade erst
kennengelernt haben. Ich würde mich freuen, wenn wir uns wiedersähen. Ich melde
mich.« Dann ging er.
    »Wer ist Catherine?«, erkundigte ich
mich bei Eck.
    »Sein Schwarm. Sie ist sehr nett.
Die mögen Sie bestimmt«, sagte Eck. Er ging zu einem Tischchen, auf dem ein
Humidor stand, und entnahm ihm eine dicke Zigarre. »Was dagegen, wenn ich
rauche?«
    »Nein.«
    »Möchten Sie auch eine?«
    Eck schien sich bei Ed wie zu Hause
zu fühlen. »Nein, danke.«
    Eck sah, dass ich ihn beim Trimmen
der Zigarre beobachtete. »Hartlepool Hall ist ein Freigehege. Ed möchte, dass
seine Freunde über all die schönen Sachen hier frei verfügen. Ich gebe mir
immer Mühe, ihn nicht zu enttäuschen.«
    »Was macht Ed eigentlich den ganzen
Tag?«, fragte ich ihn und dachte dabei an das Büro und den Computer. »Verwaltet
er den Besitz ganz allein?«
    »Nein«, sagte Eck. »Dafür hat er
seine Leute. Was Ed macht, wenn er mal nicht zum Pferderennen oder auf die Jagd
geht oder gelegentlich zum Tontaubenschießen? Zeitung lesen. Wenn er sich dazu
durchringen kann.«
    Das klang ziemlich streng, aber dann
wurde mir klar, dass Freizeit für Eck und Ed ein natürlicher Zustand war,
Arbeit nicht. Aus Neugier, ob meine Theorie stimmte, fragte ich Eck: »Und was
machen Sie, Eck?«
    »Ich kann Ihnen sagen, was ich
gemacht habe. Ich war zehn Jahre lang Soldat, bei der Grenadiergarde. Ich
stamme aus einer Soldatenfamilie. Mein Vater war Colonel, mein Onkel ist
General Chetwode-Talbot. Vermutlich haben Sie den Namen noch nie gehört, aber
wenn Sie bei der Armee wären, würden Sie ihn kennen. Das Soldatentum ist das
Einzige, worauf sich unsere Familie versteht. Nach zehn Jahren wollte ich
endlich mal etwas Geld verdienen, also bin ich in den zivilen Sektor
übergewechselt. Ich habe eine ganze Zeit lang für Risk Management gearbeitet.
Schon mal davon gehört?«
    Ich musste zugeben, dass ich die
Firma nicht kannte.
    »Wir haben Entführungsfälle für
Lloyd's of London abgewickelt. Wenn man beruflich in einem gefährlichen Winkel
der Welt zu tun hat, kann sich Ihre Firma bei einem Agenten von Lloyd's gegen
Lösegeldforderungen versichern. Das ist die Idee dahinter. In diesem
Marktsegment sind nur wenige Versicherer tätig. Unsere Arbeit bestand im
schlimmsten Fall darin, das Lösegeld auszuhandeln und sicherzustellen, dass
die Geisel lebend freigelassen wird - vorausgesetzt, der Preis war angemessen.«
    »Du lieber Gott«, sagte ich. »Ich
wusste gar nicht, dass es so etwas gibt.«
    »Es gibt noch ganz andere Sachen«,
sagte Eck und stieß eine Wolke Zigarrenrauch in die Luft, nachdem er sich in
einem Sessel niedergelassen hatte. Ich begriff auf einmal, dass

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