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Bordeuax

Bordeuax

Titel: Bordeuax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Torday
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in die Hände gestützt, bar
jeglicher Gedanken oder Gefühle.
    Eine Zeit lang unterhielten wir uns
über die Vorbereitungen für die Beerdigung. Eck kümmerte sich im Namen der
Plenders um die Angelegenheit, und er wollte nur, dass ich die Vorschläge
absegnete: Die Beerdigung sollte so bald wie möglich stattfinden, der Kreis
der Trauergäste so klein wie möglich gehalten werden, und der Gottesdienst so
schlicht wie möglich. Ich stimmte allem zu und bot Eck dann ein Glas Wein an.
Es war das erste Mal überhaupt, dass er ablehnte.
    »Ich bin nicht richtig in Stimmung«,
sagte er. »Aber schenk dir ruhig ein. Wahrscheinlich brauchst du was zu
trinken.«
    Mir fiel wieder ein, was Catherine
mir vorher erzählt hatte: Eck hätte ihren Eltern gesagt, ich würde zu viel
trinken. »Nein«, sagte ich, »ich habe auch keine Lust.«
    Eck sah mich erstaunt an, sagte aber
nichts.
    »Sollen wir jetzt zum Krankenhaus
fahren?«, fragte ich.
    Eck kehrte mir den Rücken zu und
spielte mit einem Gegenstand auf dem Küchentisch. »Kannst du mir, bevor wir
losfahren, noch etwas erklären?«
    »Wenn ich kann.«
    Ohne zu überlegen hatte er
Catherines Handtasche vom Tisch genommen. Er sah, wie ich ihn dabei
beobachtete, und er legte sie wieder hin. »Wieso ist das Auto von der Straße
abgekommen? Wie konnte das passieren? Catherine war eine sehr gute Fahrerin.
Die Polizei hat gesagt, dass sich das Auto fast quer gestellt hat. Wie ist das
passiert?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich kann
mich nicht daran erinnern, was passiert ist«, sagte ich zu ihm. »Ich habe mir
gleich am Anfang den Kopf gestoßen. Catherine saß am Steuer. Nur sie könnte uns
sagen, was passiert ist, aber sie ist tot.«
    Eck sah mich an, wartete darauf,
dass ich noch weiter ausführte. Als nichts mehr kam, schüttelte er nur leicht
den Kopf. »Na gut«, sagte er, »bringen wir es hinter uns.«
    Eck brachte mich zum Krankenhaus, wo
Catherine uns erwartete. Während der Fahrt schwiegen wir. Nach meiner Antwort
auf seine letzte knappe Frage hatte Eck mir anscheinend nichts mehr zu sagen.
Die Mitarbeiter des Krankenhauses waren effizient und entgegenkommend. Der
Leiter des Standesregisters begrüßte uns und führte uns zu dem Raum, in dem
Catherine aufgebahrt war, eingehüllt in ein Wickeltuch, eingelagert in einer
Leichenkammer. Die Luft in der Leichenhalle war kühl. Ein Pförtner zog einen
Kasten aus dem Schrankregal hervor und schob ihn auf den Autopsietisch. In dem
Kasten war Catherine.
    »Die Kopfverletzungen waren sehr
schlimm«, sagte der Mann. »Es muss ein quälender Anblick für Sie sein. Lassen
Sie sich Zeit. Hier ist ein Stuhl, wenn Sie sich hinsetzen wollen.« Der Mann
schlug das Laken zurück, das Catherines Kopf bedeckte.
    Eck wandte sein Gesicht ab und
entfernte sich, so weit er eben konnte, ohne den Raum zu verlassen.
    »Das ist nicht Catherine«, sagte
ich.
    »Wie meinen Sie das?«, fragte der
Gerichtsmediziner. »Ist das nicht Mrs Wilberforce?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Doch, das ist
sie. Ich will sie nur nicht so im Gedächtnis behalten.«
    »Die Verletzungen hat sie sich
zugezogen, als sie durch die Windschutzscheibe flog«, sagte der Mann. »Es tut
mir sehr leid.« Rasch deckte er Catherines Kopf wieder zu.
    Die Nacht, in der meine Frau durch
die Windschutzscheibe flog, dachte ich.
     
    Also wieder eine Beerdigung, diesmal
Catherines, nicht Francis'. Ich war noch immer gezwungen, an Krücken zu gehen,
als der Tag der Beerdigung kam. Ich setzte mich in eine Bank sehr weit vorne in
der Kirche, für mich allein. Auf der anderen Seite des Mittelgangs saßen die
Plenders, dicht gedrängt mit Freunden und Verwandten. Ich habe nicht viel
behalten von dem Gottesdienst. Es waren nur wenige Trauergäste da, die Plenders
hatten die Feier auf die nächsten Verwandten und engsten Freunde beschränkt.
Ich sah Teddy Shildon, Eck, Annabel Gazebee und Ed Hartlepool. Als ich in die
Kirche humpelte, drehte Ed sich um und starrte mich an. Der Hass in seinen
Augen traf mich wie ein Schlag. Ich fühlte mich sowieso schon schrecklich. Seit
der Nacht, in der Catherine durch die Windschutzscheibe geflogen war, hatte
ich keinen Tropfen Wein getrun ken. Ich sehnte mich nach einem Glas, ich sehnte mich danach, in die
Gruft hinabzusteigen und Trost in meinem Weinlager zu suchen. Doch irgendein
Gefühl hielt mich davon ab: Ich wollte Catherine beweisen, dass ich kein
Alkoholiker war, dass ich Wein trinken konnte, wann ich wollte, aber dass ich
es auch bleiben lassen

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