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Bordeuax

Bordeuax

Titel: Bordeuax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Torday
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nicht, wie ich ihm das bei bringen sollte. Wahrscheinlich gab es keine sichere Methode für so etwas.
Der arme Francis: Heute Nachmittag sah er zerbrechlicher aus als je zuvor. Ich
stieg hinab in die Gruft und schaltete das Licht ein. Hier, in der
Halbfinsternis, lagerte eine der größten Weinsammlungen, möglicherweise die
größte, die je zusammengestellt worden war. Kurz nachdem ich Francis
kennengelernt hatte, hatte Eck mir mal gesagt, Francis habe in den letzten
dreißig Jahren den Besitz der Familie Black sukzessive verkauft, 800 Hektar
landwirtschaftliche Fläche und zehn Farmhäuser. Der größte Teil der Erlöse,
vermutete er, wäre für die Rückzahlung von Schulden oder den Ankauf von Wein
draufgegangen. Francis hätte früher zu einer sehr leichtlebigen Clique gehört,
die im Aspinalls und dem Clermont Karten spielte. Die meisten seien sehr viel
reicher gewesen als Francis, und er hätte komplett den Boden unter den Füßen verloren.
Damit London ihm nicht weiter zusetzte, hätten seine Eltern ihn daraufhin nach
Österreich geschickt, zu Heini Carinthia. Es sei Heini gewesen, der Francis'
Interesse für Wein geweckt hätte.
    Jetzt stand auch ich in dem
Halbdunkel, sah die Tausenden von Flaschen, die wie Juwelen funkelten, denn
Francis staubte die Regale regelmäßig ab. Die Alleen aus Kisten mit ihren
magischen Namen gaben Kunde von sonnenbeschienenen Hängen in fernen Ländern:
Latour-Martillac, Rauzan-Segla, Leoville Las Cases, L 'Eglise -Clinet. Der Zauber war allgegenwärtig. Im Geist hörte ich Francis all die
Namen und Jahrgänge dieses sagenhaften Schatzes an Weinflaschen flüstern, in
denen die Sonne von fünfzig Jahren eingefangen war, in Trauben aus Tausenden
von Weingärten: eine geheime Welt, die nur wenige verstehen konnten, die noch
weniger je genießen durften, und die sich nur im Besitz eines einzigen Menschen
befinden konnte, in meinem.
    Ich entdeckte eine Flasche, die vor
Francis' Augen sicher bestehen würde, und brachte sie nach oben. Francis war
heruntergekommen in den Laden und hatte schon auf seinem Stuhl Platz genommen.
»Das ging aber schnell«, sagte ich.
    »Du hast lange gebraucht«,
entgegnete er. »Nach meiner Uhr warst du mindestens eine halbe Stunde da unten.«
    »Wirklich?«, fragte ich überrascht.
    »Ja. Die Gruft stiehlt einem die
Zeit. Was hast du uns mitgebracht?« Er nahm die Flasche, sah sie sich an und
sagte: »Ja. Für die hätte ich mich vielleicht auch entschieden, wenn ich sie
gesehen hätte. Füll sie bitte vorher um.«
    Ich füllte sie in ein Dekantiergefäß
und goss uns zwei Gläser ein.
    »Keine Bedenken?«, fragte Francis.
»Jeden Tag rechne ich damit, von dir zu hören, dass du deine Meinung geändert
hast, dass du Caerlyon doch nicht kaufen willst. Wenn es so wäre - ich würde dir
sofort verzeihen. Ich kann nur hoffen, du verzeihst mir, dass ich dich in so
eine unmögliche Situation gebracht habe.«
    Ich schwieg. Ich musste mich
entscheiden. Jetzt oder nie. Ich war hergekommen, um Francis zu sagen, dass ich
ihm nicht helfen konnte; es war mir unmöglich, die Verpflichtung, die er von
mir verlangte, zu erfüllen. Und jetzt bot er mir selbst einen Ausweg an, auf
die freundlichste und taktvollste Art, die man sich vorstellen kann. Francis
sagte nichts, trank seinen Wein; ich saß ihm gegenüber und ließ mir noch mal
alles durch den Kopf gehen.
    Ich dachte an das Weinlager im
Keller. Was würde das für ein Gefühl in mir auslösen, wenn der Verkauf
angekündigt würde? Ich würde mich in die hinterste Ecke verkriechen und ein
Angebot, niedriger als den Schätzwert, auf ein, zwei kleine Kartons Wein
machen, während die professionellen Händler und Sammler alles auf
Nimmerwiedersehen ersteigern würden. Und wofür? Um einen Bankkredit auf ein
Haus zurückzuzahlen, das keiner haben wollte.
    »Francis«, fing ich endlich an, »ich
muss gestehen, dass ich Bedenken hatte. Es bedeutet eine riesige Veränderung
in meinem Leben und eine große Verantwortung. Aber ich ziehe es durch. Du
brauchst mich nicht noch mal zu fragen. Es ist nicht nötig. Ich habe versucht,
mich davor zu drücken, was du mir angeboten hast. Ich kann nicht.«
    Francis lächelte, mit einem Anflug
von Traurigkeit. »Ich hatte kein Recht, dich darum zu bitten, Wilberforce,
selbst wenn du ein Mitglied meiner eigenen Familie gewesen wärst. Aber
natürlich bin ich erleichtert, dass du es trotzdem machen willst. Es zeugt von
großer Verantwortung, dass du mein Angebot angenommen hast. Wenn dir

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