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Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition)

Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition)

Titel: Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Meyer zu Kueingdorf , Michel Ruge
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älter als ich. Besonders furchterregend sahen sie allerdings nicht aus, eher so Hänger, Asis. Wie sich herausstellte, hatten ihre Kumpels sie wohl im Stich gelassen, als sie von unserem Aufmarsch hörten. Wir scharten uns um die Typen. Ich sah Angst in ihren Augen. Nur Ümet sprach jetzt. Er machte ihnen klar, dass es das nächste Mal schlimmer für sie ausgehen würde, wenn sie sich nicht aus unserem Viertel raushalten würden. Ümet, so sympathisch er mir auch war, konnte von einer auf die andere Sekunde seine Autorität und Härte unter Beweis stellen: mit einem düsteren Blick und klaren, direkten Worten. Er sprach mit ruhiger, besonnener Stimme. »Ich will nicht ungemütlich werden. Ich will nicht, dass ich eure Gesichter noch einmal bei uns sehe. Ihr seid hässliche Menschen und ihr stinkt wie Schweine. Habt ihr das verstanden? Soll ich es noch mal mit den Fäusten erklären, was ich gesagt habe? Schau mir nicht ins Gesicht, du hässlicher Mensch! Das ist eine Beleidigung. Du beleidigst damit die Breakers. Willst du spüren, wie sich das anfühlt, wenn man die Breakers beleidigt? Oder wollt ihr ab jetzt immer artig sein?« Die Typen nickten.
    Wir standen da und schwiegen und versuchten, alle möglichst grimmig zu schauen. Es war still in diesem Moment. Eine Stille, die ich körperlich spüren konnte. Ich hatte das Gefühl, mich in einem Vakuum zu befinden. Die Geräusche der Straße, das Reden der Passanten konnte ich nicht mehr hören. Alles still. Ich stand direkt vor den Typen, auf die Ümet einredete. Ich sah sie böse an. Ich wusste, dass sie Respekt vor mir haben würden, wenn sie mich auf der Straße träfen. Denn hinter mir stand eine Armee. Diesen Augenblick kostete ich aus. Dieses Gefühl der Zugehörigkeit war neu für mich. Ich genoss es. Wir waren die gefährlichste Gang der Welt. Zumindest bildeten wir uns das ein.
    Ümet machte eine klare Ansage. »Ihr wisst Bescheid. Das nächste Mal kommt ihr nicht ungeschoren davon.« Dann gab es als Zugabe noch ’n paar Backpfeifen. Das war’s. Abmarsch!
    Dann sah ich den Peterwagen auf der anderen Straßenseite. Offensichtlich hatte man uns beobachtet. Doch es passierte nichts. Die Polizei griff nicht ein. Wir waren wohl einfach zu viele.
    Geschlossen machten wir uns auf den Weg zurück in unser Revier. Als wir an einem Klamottenladen vorbeiliefen, sah ich, wie zwei Jungs sich an einem Ständer bedienten, der auf der Straße stand. Die Jungs jubelten über die T-Shirts und Hemden, die sie gerade geklaut hatten. Passanten beobachteten die Aktion. Niemand griff ein. Wir spazierten seelenruhig weiter. Wir waren hier die Chefs. Jo!, dachten wir. Auf dem Weg erklärte mir Ümet, warum die Aktion vor dem McDonald’s so wichtig war. »Pass auf, Michel! Es ist nicht immer wichtig, dass es gleich ’ne Schlägerei gibt. Du musst Macht demonstrieren und denen dadurch zu verstehen geben, wer das Sagen hat. Das verschafft Respekt. So erweitern wir unser Territorium. Angst machen. Das hilft. Verstehst du?« Ich nickte, wie ein gelehriger Schüler. Wie wohl Kalle reagieren würde, wenn er mich so sehen könnte?
    Zurück auf unserem Spielplatz, belohnten wir uns für die erfolgreiche Aktion. Es gab Wassereis mit Waldmeister-, Himbeer- oder Erdbeergeschmack. Dieses Wassereis aus Plastikstreifen. Wir berieten, welche Aktionen am Wochenende anstanden und welche Gang mal wieder eine Abreibung verdient hatte. Einige redeten sogar schon davon, als Zuhälter Geld verdienen zu wollen. Doch noch waren wir nur ein paar Halbstarke, die zusammen abhingen und romantische Ideen hatten.
    Allmählich verabschiedeten sich die meisten. Ein paar von uns aber wollten noch mehr Wassereis. Doch keiner hatte mehr Geld. »Ich hab ’ne Idee«, sagte Ümet. »Los, wir gehen nach Planten und Bloomen.« Planten und Bloomen war ein großer Park in der Hamburger Innenstadt. Dort flanierten die Soliden und die verliebten Pärchen. Aber das sollte uns weniger interessieren. Wir machten uns auf den Weg, zu siebt.
    Im Planten und Bloomen angekommen, spazierten wir ein wenig umher, als Ümet drei Typen ansprach, offensichtlich Engländer. »Hey, Jungs. Könnt ihr mir die Uhrzeit sagen?« Einer der Typen schaute auf seine Uhr. »17 Uhr.« – »Danke«, sagte Ümet und ließ eine weitere Frage folgen. »Hättet ihr noch ’ne Zigarette für mich?« Ich hatte keinen blassen Schimmer, was Ümet da anstellte. Der Engländer verstand nicht, und Ümet sagte: »Cigarette?« Er bekam eine Zigarette. Der Typ

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